Telegram-Gruppe wollte Lauterbach entführen: Hauptverdächtiger aus Falkensee

Verdeckte Ermittler boten den Tatverdächtigen Kalaschnikows und Minen an: In neun Bundesländern fanden Razzien statt. Lauterbach will „weitermachen wie bisher“.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte von Corona-Leugnern entführt werden.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte von Corona-Leugnern entführt werden.imago

Ermittler sind mit Razzien gegen Mitglieder mehrerer Telegram-Chatgruppen radikaler Corona-Kritiker vorgegangen. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen zwölf Männer und Frauen, die eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ und weitere Straftaten geplant haben sollen. Das teilte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer am Donnerstag mit. So wollten Mitglieder einer Chatgruppe in einer Aktion namens „Klabautermann“ den Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen. Vier Menschen, einer davon aus dem brandenburgischen Falkensee, wurden festgenommen.

Den Angaben zufolge planten die Verdächtigen auch Anschläge auf Umspannwerke und Stromleitungen. Damit wollten sie wohl einen bundesweiten Stromausfall herbeiführen, „um bürgerkriegsähnliche Zustände zu verursachen“, wie es in der Mitteilung heißt. Die Ermittler vermuten, dass die Tatverdächtigen im Anschluss „das demokratische System in Deutschland stürzen und die Regierung übernehmen“ wollten.

270 Polizisten im Einsatz, 20 Durchsuchungsbeschlüsse

Die Beschuldigten gingen der Polizei ins Netz, nachdem sie ihnen eine Falle gestellt hatte. Verdeckt hätten ihnen die Ermittler Waffen, Minen und Schutzausrüstung im Wert von mehreren Zehntausend Euro angeboten. Zwei Kalaschnikows und fünf Pistolen sollten demnach diese Woche in Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz übergeben werden. Bei dem Treffen sei ein Mann festgenommen worden.

Am Mittwoch habe es laut Staatsanwaltschaft dann 20 Hausdurchsuchungen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen gegeben, bei denen weitere Personen festgenommen wurden. Insgesamt waren drei Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie rund 270 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, darunter auch Spezialeinheiten.

Die zwölf Beschuldigten sind dem Bericht nach dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen. In verschiedenen Telegram-Gruppen, die etwa „Vereinte Patrioten“ und „Aktive Patrioten“ hießen, tauschten sie sich aus, um ihre Taten bis hin zu geplanten Sprengstoffanschlägen zu organisieren. Chatverläufe zeigen dem Bericht nach ein „krudes Weltbild zwischen Rechtsextremismus, Prepper-Ideologie und einer Ablehnung der Corona-Politik“.

Amtsgericht erlässt Haftbefehle

Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um deutsche Staatsangehörige im Alter von 55, 54, 50, 42 und 41 Jahren. Sie werden der Reichsbürger-Szene zugeordnet. Einer der Beschuldigten soll aus dem brandenburgischen Falkensee kommen, wie Polizeisprecher Johannes Kunz gegenüber RBB24 sagte. Der 54-Jährige gehöre zu den Hauptverdächtigen.

Die Maßnahmen am Mittwoch dauerten bis in den späten Nachmittag an. Die Einsatzkräfte stellten zudem Mobiltelefone, diverse Datenträger, Notebooks sowie schriftliche Unterlagen zu Umsturzplanungen, gefälschte Impfpässe sowie gefälschte Testzertifikate sicher. Die kriminalistische Auswertung dieser Gegenstände, insbesondere der Datenträger und Mobiltelefone, werde eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft: „Gegen die vier festgenommen Beschuldigten sind Haftbefehle beantragt worden.“ Das Amtsgericht Koblenz erließ diese Haftbefehle später und ordnete Untersuchungshaft an. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach mit Blick auf die Verdächtigen und ihre Planungen von einer „schwerwiegenden terroristischen Bedrohung“.

Lauterbach lässt sich nicht beirren

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erhebt nach Bekanntwerden der Entführungspläne gegen ihn durch eine rechtsradikale Gruppe schwere Vorwürfe gegen Corona-Leugner. „Der ganze Vorgang zeigt, dass sich die Corona-Proteste nicht nur radikalisiert haben, sondern dass es mittlerweile um den Versuch geht, den Staat zu destabilisieren“, sagte Lauterbach am Donnerstag am Rande eines Besuchstermins in einem Krankenhaus in Husum.

Es gebe Kräfte, die Staat und Demokratie destabilisieren wollten. „Es ist eine kleine Minderheit in der Gesellschaft, aber die ist hochgefährlich. Darauf müssen wir achten“, sagte Lauterbach. Über die Corona-Politik könne in der Sache gestritten werden, fügte er hinzu. „Gewalt geht aber nie.“

Gegenüber der Bild am Sonntag führte er weiter aus: „Manchen Covid-Leugnern geht es nicht um den Kampf gegen Impfungen oder Corona-Auflagen. Sie kämpfen gegen unsere demokratische Grundordnung. Damit werden sie aber keinen Erfolg haben. Ich lasse mich dadurch nicht beirren, sondern setze mich weiter für die gesamte Bevölkerung ein. Dieses Beispiel zeigt die Zerrissenheit unserer Gesellschaft. Diese Spaltung zu überwinden und Vertrauen zurückzugewinnen, bleibt Ziel meiner Politik.“

Der Vorfall mit den Entführungsplänen werde ihn nicht in seiner Arbeit beeinflussen. „Ich werde weitermachen wie bisher“, kündigte der Minister an. (mit AFP)