Klassenfahrt zu den Reichen: Linke Demonstranten „entern“ Sylt

Das linke Bündnis „Wer hat, der gibt“ hat bundesweit Demonstranten mobilisiert. Sie wollen vor das Rathaus ziehen, um Reichen den Abendcocktail zu vermiesen.

Teilnehmer einer Demonstrantion des Bündnisses „Wer hat, der gibt“ ziehen durch Westerland.
Teilnehmer einer Demonstrantion des Bündnisses „Wer hat, der gibt“ ziehen durch Westerland.dpa/Daniel Bockwoldt

Auf der Nordseeinsel Sylt sind am Samstag mehrere Initiativen gegen  verschwenderischen Luxus und soziale Ungerechtigkeit auf die Straße gegangen. Das linke Bündnis „Wer hat, der gibt“ hat bundesweit Demonstranten mobilisiert, um „Sylt zu entern“. Die Polizei rechnet mit Verkehrsbehinderungenm, die Insel bleibe aber trotzdem erreichbar, hieß es am Nachmittag.

Hunderte Demonstranten zogen unter dem Motto „Sylt entern – Klassenfahrt zu den Reichen!“ von Westerland nach Kampen. „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“, stand auf einem Banner, das an einem Kleintransporter an der Spitze des Demonstrationszuges befestigt war. Die hohen Kostensteigerungen bei Energie, Kraftstoffen und Lebensmitteln hatten zuletzt die politische Debatte um wachsende Armut und soziale Verantwortung neu belebt. Nach Schätzungen der Polizei beteiligten sich etwa 400 zumeist junge Menschen an der Protestaktion. Die Organisatoren selbst sprachen von rund 500 Teilnehmern.

Die Initiatoren hatten zuvor auf ihrer Internetseite geschrieben: „Nachdem die dekadenteste Hochzeitsgesellschaft des Jahres wieder abgezogen ist, geht die Party erst richtig los! Wir entern Sylt. Mit dem 9-Euro-Ticket reisen wir aus Hamburg, Köln, Kiel, Berlin, Flensburg, Bremen, Münster und Elmshorn an, um die Reichen in ihren Feriendomizilen zu stören. Am Samstag fallen wir ab mittags im ehemaligen Bonzenparadies ein“.

Den Reichen den Abendcocktail „versauen“

Der Zug der linken Demonstranten war gegen 14.30 Uhr mit etwa einstündiger Verspätung gestartet. Die Polizei war in sichtbarer Präsenz auf der Insel vertreten. Für den späten Nachmittag kündigten die Veranstalter an, den Reichen ihren Abendcocktail mit Punk-Konzerten vor dem Rathaus „versauen“ zu wollen.

Bei einer Versammlung am Abend vor dem Rathaus in Westerland fiel nach Polizeiangaben lediglich ein Mann auf, weil er nackt war. Die Polizei nahm den Alkoholisierten in Gewahrsam und versuchte, einige aufgebrachte Menschen zu beruhigen, die damit nicht einverstanden waren.

Zu der Aktion aufgerufen hatte das Bündnis „Wer hat, der gibt“, um Forderungen nach einer Umverteilung von Reichtum zu bekräftigen. „Auf Sylt bejubeln sich Reiche für Leistungen, die sie nicht erbracht haben, und vererben Geld, das sie nicht verdient haben“, heißt es in dem im Internet veröffentlichten Aufruf. Andernorts sei das Armutsniveau derweil auf einem Rekordhoch, die rapide steigenden Preise trieben immer mehr Menschen in die Existenzangst.

Das Aktionsbündnis forderte eine einmalige Vermögensabgabe zur Deckung der Kosten der Corona-Krise, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für besonders hohe Einkommen. Internationale Steueroasen sollen abgeschafft, große Erbschaften und Schenkungen höher besteuert werden.

Sylt mit seinen teilweise exklusiven Feriendomizilen gilt für viele als Synonym für Abgehobenheit und Reichtum. Erst Anfang Juli war mit der Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf Sylt die Insel wieder ins Rampenlicht geraten. Damals war eine Gruppe von Punks mit dem Ziel angereist, die Feier zu stören. Doch hatten sie sich für ihren lautstarken Protest laut Polizei das falsche Hotel ausgesucht. (mit dpa)