Kliniken befürchten Triage von Krebspatienten

Die Intensivstationen sind mit Covid-Patienten stark ausgelastet. Das bereitet Ärzten Sorgen im Hinblick auf Krebspatienten. Für diese sei kaum noch Platz.

Weil die Intensivstationen keine Patienten mehr aufnehmen können, könnte die Triage zum Klinikalltag werden, sagt Michael Baumann, Vorstandschef des Deutschen Krebsforschungszentrums. 
Weil die Intensivstationen keine Patienten mehr aufnehmen können, könnte die Triage zum Klinikalltag werden, sagt Michael Baumann, Vorstandschef des Deutschen Krebsforschungszentrums. dpa/Ole Spata

Bonn-Deutsche Krebsforscherinnen und Krebsforscher sehen die Versorgung von Patientinnen und Patienten akut gefährdet. Schon jetzt hätten zwei Drittel der befragten Krebszentren keine Kapazitäten mehr, um weitere Betroffene aufzunehmen, teilten das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Deutschen Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft am Dienstag gemeinsam mit. Abgefragt wurden demnach die Lage an 18 großen universitären Krebszentren.

„Die Versorgungskapazitäten der Zentren sind nahezu ausgeschöpft, das Personal arbeitet unter maximaler Belastung“, heißt es in der Mitteilung. Wenn die Corona-Infektionszahlen erneut steigen, wie es wegen der Ausbreitung der Omikron-Variante befürchtet wird, „müssen wir mit einem erneuten Anstieg an Patienten rechnen, die intensivmedizinisch betreut werden müssen“, warnte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums, Michael Baumann.

„Die Intensivstationen können aber schlichtweg niemanden mehr aufnehmen – das gilt sowohl für Coronapatienten als auch für Menschen mit anderen schweren Erkrankungen“, fügte er hinzu. „Tritt dies ein, wird die Triage zum Klinikalltag.“ Es sei wichtiger als je zuvor, entsprechende Versorgungskapazitäten in den Kliniken und Krankenhäusern, insbesondere in den Krebszentren, für Krebspatienten sicherzustellen.

Situation an Kliniken: Krebs-OPs werden vertagt, Patienten früher entlassen

Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Ulm, Thomas Seufferlein, verwies auf Erfahrungen aus seinem Arbeitsalltag. „Als ärztlicher Direktor einer universitären Klinik bin ich täglich damit konfrontiert, dass aufgrund des enormen Betreuungsaufwands von Covid-19-Erkrankten personelle Engpässe in der stationären Krebsversorgung entstehen, auch dringende Operationen verschoben werden oder Patientinnen und Patienten nach einer Krebs-OP frühzeitig die Intensivstation verlassen müssen, weil ihr Bett dringend gebraucht wird.“

„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass überfüllte Intensivstationen wegen Covid-19 zu einer ungewollten Priorisierung der zu behandelnden Patientinnen und Patienten – und damit zu einer stillen Triage – führen“, führte Seufferlein hinzu.

Die drei Organisationen appellierten an die Bevölkerung: „Bitte lassen sie sich impfen, egal ob es die erste, zweite oder dritte Impfung ist.“ Auch die Kontaktbeschränkungen und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssten eingehalten werden – „gerade jetzt im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage“. Die Zahl der Neuinfektionen müsse unbedingt sinken, „um alle schwerkranken Patienten adäquat versorgen zu können“, mahnte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven.