Ampel berät drittes Entlastungspaket: Rentner und Studierende im Fokus

Insbesondere Geringverdienende, Studierende und Rentner sollen sollen vom dritten Paket profitieren. Am Samstag wird Klarheit geschaffen.

Die Regierungsparteien suchen Einigung über neue Milliardenhilfen für Bürger und Unternehmen. (Symbolbild)
Die Regierungsparteien suchen Einigung über neue Milliardenhilfen für Bürger und Unternehmen. (Symbolbild)dpa/Patrick Pleul

Nach wochenlanger Diskussion wollen die Parteien der Ampel-Koalition am Samstag eine Einigung über ein drittes Entlastungspaket suchen. An diesem Samstag kommen dafür die Koalitionsspitzen bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu entscheidenden Beratungen zusammen. Die Gewerkschaft Verdi drohte mit deutschlandweiten Protesten für den Fall unzureichender Entlastungen. Die Union forderte die Ampel zu klaren Ansagen auf.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Mittwoch ein „wuchtiges Paket“ zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen angesichts der stark gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten angekündigt.

Über den Inhalt des neuen Entlastungspakets gab es in den vergangenen Tagen noch sehr unterschiedliche Vorstellungen bei SPD, FDP und Grünen. Es scheint inzwischen aber Einigkeit zu herrschen, dass insbesondere Geringverdienende sowie Rentnerinnen und Rentner stärker in den Fokus genommen werden sollen.

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Milliardenschweres Paket angekündigt

Die bisherigen beiden Entlastungspakete, zu denen unter anderem der Tankrabatt, eine Energiepreispauschale und das Neun-Euro-Ticket gehörten, hatten ein Gesamtvolumen von rund 30 Milliarden. Ein drittes Paket für dieses und kommendes Jahr könnte ähnliche Dimensionen erreichen.

Lindner hatte am Mittwoch gesagt, es gebe in diesem Jahr noch Spielraum für Entlastungen in Höhe eines einstelligen Milliardenbetrags. Im kommenden Jahr sah er Möglichkeiten für Entlastungen in Höhe einer zweistelligen Milliardensumme.

Woher soll das Geld kommen?

Die Grünen setzen auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine Neuregelung der Dienstwagen-Besteuerung und eine Steuer auf übermäßige Unternehmensgewinne. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kann sich unter Umständen auch einen Nachtragshaushalt vorstellen. Für die Steuerschätzerin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Kristina van Deuverden, deutet sich an, dass viele Unternehmen ihre Gewinnerwartungen wegen Corona zu weit nach unten korrigiert hatten - und nun Steuern nachzahlen.

Wer soll auf jeden Fall Unterstützung bekommen?

Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende sollen auf jeden Fall Unterstützung bekommen - denn eine Kritik lautete, diese bekämen bisher zu wenig. So profitieren vom Energiegeld in Höhe von 300 Euro aus dem zweiten Entlastungspaket nur Erwerbstätige. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: „Wir werden etwas für Rentnerinnen, Rentner und Studierende tun und für viele die Steuern senken.“ Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will sich für Studierende einsetzen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr möchte, dass Einmalzahlungen diesmal insbesondere Rentner und Studierende erreichen.

Was wird aus dem 9-Euro-Ticket?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will eine Nachfolgelösung erreichen, auch wenn die teurer sein wird als 9 Euro im Monat. Dazu will er noch Gespräche mit den Ländern über die Aufteilung der Kosten mit dem Bund führen. Die SPD ist für ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket für 49 Euro im Monat. Das wollen die Grünen auch, ein Regionalticket sollte nach ihren Vorstellungen 29 Euro kosten.

Wie gezielt sollen die Entlastungen ausfallen?

Die SPD-Fraktion nimmt insbesondere Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen in den Blick. Die Grünen betonen, ihnen gehe es um zielgerichtete Maßnahmen. Die Fraktionsspitze schlägt Hilfen für Grundsicherungsempfänger, Familien, Menschen mit kleinen Einkommen und Renten vor. Die FDP will beim dritten Entlastungspaket vor allem Erleichterungen für die arbeitende Bevölkerung durchsetzen.

Tatsächlich wünscht sich laut ARD-Deutschlandtrend knapp jeder zweite Wahlberechtigte Entlastungen auch für die Mittelschicht. 45 Prozent sprachen sich in der repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap dafür aus. 29 Prozent meinten, Entlastungen sollte es nur für Menschen mit niedrigem Einkommen geben. Gut jeder Fünfte (22 Prozent) war der Ansicht, Entlastungen sollten allen Haushalten zugutekommen.

Die Entlastung mittlerer Einkommen fand eine relative Mehrheit unter den Anhängern aller Regierungsparteien sowie der Oppositionsparteien CDU/CSU und AfD. Parteipolitische Unterschiede zeigten sich vor allem bei der Frage, ob nur niedrige oder alle Einkommen entlastet werden sollen: Während 43 Prozent der Grünen-Anhänger Entlastungen nur für Menschen mit niedrigen Einkommen forderten, waren es bei den FDP-Anhängern nur 20 Prozent.

Bleiben noch offene Fragen?

Selbst wenn SPD, Grüne und FDP wirklich ein „wuchtiges Paket“ schnüren, wie es Lindner und Mützenich wollen, dürfte die große Rechnerei losgehen, die Arbeit an Gesetzen und Fristen. Gut möglich, dass die Koalitionsspitzen noch einmal zusammenkommen.

Offen ist, ob der konzertierten Aktion von Kanzler Scholz mit DGB-Chefin Yasmin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nach dem erwarteten Entlastungspaket noch viel zu regeln bleibt. Mitte September trifft man sich zum zweiten Mal. Aber eines ist klar: Inflation, stockende Lieferketten und der bedrohliche Arbeits- und Fachkräftemangel schaffen ein Krisenszenario, das nicht mit einem Koalitionsausschuss behoben sein dürfte. Und mit dem Bürgergeld haben es die Koalitionsspitzen beim Thema Entlastung mit einer sozialen Großreform zu tun, bei der es nicht nur auf die Höhe der Regelsätze ankommt. Beobachter erwarten, dass auch nach Samstag genug Redebedarf bleibt.