Kriegswaffen und Drogen via Encrochat: Hohe Haftstrafen
Sie setzten auf verschlüsselte Kryptohandys und verabredeten unverhohlen illegale Geschäfte. Doch die Chats wurden geknackt und zu Beweismitteln. Für ein Clanmitglied und einen weiteren Mann gab es in Berlin ein Urteil.

Berlin-Nach illegalen Geschäften mit Kriegswaffen und Drogen im großen Stil sind in einem sogenannten Encrochat-Prozess in Berlin ein Clanmitglied und ein weiterer Dealer zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Gegen den 43-Jährigen aus einem arabischstämmigen Clan ergingen am Dienstag neun Jahre Gefängnis. Ein 23-Jähriger erhielt elf Jahre. Beide hätten unter Nutzung des Krypto-Messsengerdienstes Encrochat gewerbsmäßig mit verschiedenen Waffen und mit Drogen gehandelt, urteilte das Landgericht Berlin.
Es ist bislang das wohl größte Verfahren in der Hauptstadt, das vor allem auf der Entschlüsselung von Daten des Messengerdienstes Encrochat beruht. Nach fast siebenmonatiger Verhandlung gingen die Richter im Fall des 23-Jährigen von Verkaufserlösen in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro aus. Es wurde die Einziehung von Wertersatz in dieser Höhe angeordnet. Im Fall des Clanmitglieds wurde die Einziehung von rund 134 000 Euro angeordnet.
Die beiden Angeklagten hätten im Frühjahr 2020 Kriegs- und andere Schusswaffen sowie Rauschgift erworben und damit gehandelt, hieß es weiter im Urteil. „Es waren hochprofessionelle und organisierte Taten“, so die Vorsitzende Richterin. Die Angeklagten hätten im Prozess schließlich zugegeben, über Encrochat-Handys illegale Geschäfte abgewickelt zu haben.
Die Kryptierungssoftware galt zunächst als nicht entschlüsselbar. 2020 gelang es jedoch Ermittlern in den Niederlanden und Frankreich, Millionen geheimer Daten abzuschöpfen. Allein in Berlin geht es laut Staatsanwaltschaft um rund 1,6 Millionen Chatnachrichten und knapp 750 Nutzer. Mehrere Strafverfahren endeten bereits mit Verurteilungen.
An der Verwertbarkeit der Encrochat-Kommunikation bestehe für das Gericht kein Zweifel, sagte die Vorsitzende Richterin weiter. Die Daten seien „echt und zuverlässig“. Die beiden Angeklagten hätten mit diversen Waffen gehandelt, darunter solche, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Der 43-Jährige habe im Prozess erklärt, er habe Waffen „von einer Gruppe von Albanern“ bekommen.
Der Mann aus dem Clanmilieu soll laut Urteil zudem mit insgesamt vier Kilogramm Kokain gehandelt haben. Im Fall des 23-Jährigen ging es um Geschäfte im großen Stil mit Kokain, Amphetamin und Marihuana. Das Verfahren gegen zwei weitere Angeklagte wurde zu Jahresbeginn abgetrennt und ausgesetzt.
Die nun Verurteilten wurden in dem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Februar 2021 festgenommen und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Vor allem der 43-Jährige ist der Justiz bekannt: Etwa 15 Jahre hat das Clanmitglied schon in Haft gesessen. Derzeit läuft ein Berufungsprozess, in dem sich der Mann gegen eine andere Haftstrafe wehrt. Er war im August 2021 zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden, weil er nach Überzeugung des Gerichts an einer Gewaltattacke auf eine Gruppe von Tschetschenen beteiligt war.
Die Staatsanwaltschaft hatte im „Encrochat-Prozess“ zehn Jahre und drei Monate Haft gegen den 43-Jährigen verlangt sowie zwölf Jahre und drei Monate gegen den 23-Jährigen. Die Verteidiger des Clanmitglieds hatten etwa sechs Jahre gefordert sowie wegen einer vorliegenden Drogenproblematik die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.