Neue Betrugsmasche bei Tinder und Co.: Ausgeklügelter Krypto-Scam

Eine raffinierte Betrugsmasche sucht die Online-Dating-Welt heim. Opfer verlieren oft Tausende Euro – der „Pig Butchering Scam“ kann jeden treffen.

Die Silhouette eines Paares.
Die Silhouette eines Paares.imago/imagebroker

Eine dreiste Betrugsmasche breitet sich derzeit in den gängigen Internet-Singlebörsen aus. Kriminelle erschwindeln sich Vertrauen über Online-Dating-Plattformen wie Tinder, Grindr und Bumble, indem sie eine wochenlange romantische Beziehung zu den Opfern aufbauen, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das sogenannte „Pig Butchering“ (zu Deutsch: „Schweine schlachten“) ist eine Krypto-Abzocke nach einem ausgeklügelten Drehbuch. Die Opfer bemerken den Betrug erst dann, wenn es bereits viel zu spät ist – und es kann jeden Nutzer treffen.

Die Masche hat ihren Ursprung Ende 2019 in China und breitet sich seitdem wie ein Lauffeuer aus, berichtet die US-Bundespolizei FBI. Das Schema ist immer ähnlich und wird zunehmend in Deutschland genutzt. Elias (Nachname aus Gründen des Datenschutzes nicht genannt), ein Betroffener aus Berlin, schildert den Ablauf des Betrugs.

Der Kontakt zwischen Opfer und Täter beginnt unverfänglich und freundlich auf einer Singlebörse. In der Regel wird dem Opfer vorgespiegelt, dass es von einer wohlhabenden und attraktiven Frau aus dem asiatischen Raum umgarnt wird. Das erste Alarmsignal ist leicht übersehbar: Die Dame möchte schnell auf einen privaten Messengerdienst, in der Regel Whatsapp, wechseln. Die Kommunikation ist rege, Fotos werden ausgetauscht und gelegentliche Komplimente lassen das Herz des Opfers höher schlagen. Das betrügerische Schauspiel nimmt seinen Gang.

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Romanze entpuppt sich als Krypto-Betrug

Ein spontanes Treffen wird es nicht geben, da sich die Dame gerade angeblich für längere Zeit im Ausland befindet. Meist wird Hongkong, Singapur oder Japan genannt. Trotzdem werden für die Zukunft Rendezvous geplant, das Opfer soll keinen Verdacht schöpfen.

Ein weiteres Anzeichen, dass mit der Online-Bekanntschaft etwas nicht stimmt: Der Chat besteht ausschließlich aus Textnachrichten. Videoanrufe und Sprachnachrichten werden stets abgelehnt.

Die Betrüger erschleichen sich das Vertrauen ihrer Opfer über einen langen Zeitraum, täglich erscheinen Nachrichten auf dem Handydisplay. Dabei versuchen die Betrüger, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Dies dient der Identifizierung wohlhabender und beeinflussbarer Opfer – getarnt als aufrichtiges Interesse.

Die Erfolgsquote des Betrugs steigt, wenn das Opfer Vertrauen hat. Mittlerweile wissen Kriminelle, dass sie erst Überzeugungsarbeit leisten müssen statt direkt um Geld zu bitten. Wie der Name „Pig Butchering“ schon vermuten lässt, soll die Zielperson erst „gemästet“ werden, bevor sie „geschlachtet“ wird.

Das Opfer wird allmählich in ein scheinbar harmloses Gespräch über Krypto-Investitionen verwickelt. In Wahrheit handelt es sich jedoch um eine Phase, in der das Opfer auf eine betrügerische Investition vorbereitet wird. Ganz nebenbei schickt die reizende Frau Fotos von ihrem luxuriösen Lebensstil. Auf Nachfrage antworten die Damen meist, dass sie in der Modebranche arbeiten würden. Zusätzlich würden sie große Gewinne mit dem Handel von Kryptowährungen einfahren, berichtet der Betroffene Berliner.

Websites sind in der Regel gut aufgebaute Fälschungen

In der Regel überzeugt die „Liebhaberin“ daraufhin die Zielperson, in Kryptowährungen zu investieren. Dabei wird der Betroffene langsam mit der Idee einer Investition konfrontiert, selten wird in dieser Phase starker Druck ausgeübt, der bei anderen Maschen üblich ist.

Der Betrüger spricht oft über eigene Anlageerfolge und bietet dem Opfer an, ihm beizubringen, wie man investiert. Gelegentlich werden die Betroffenen auch mit einem Dritten bekannt gemacht, der als sogenannter Spezialist vorgestellt wird, warnt eine unabhängige Seite aus Hong Kong, die sich mit Cyberkriminalität beschäftigt. Die Betrüger bieten dem Opfer bei der Registrierung auf der Website Hilfe an und überwachen den Prozess in Echtzeit. Die Opfer sollen in der Regel Screenshots an die Kriminellen senden, berichten Betroffene.

Die Website, die für den Handel genutzt werden soll, ist in der Regel gefälscht und wird im Verborgenen von den Betrügern verwaltet. Betroffene berichten allerdings, dass sie in einigen Fällen einen kleinen Betrag erhalten hätten, bei dem es sich angeblich um eine Rendite auf ihre Investitionen handelt. Das soll den Betrogenen dazu veranlassen, weitere Geldsummen einzusetzen. Der Betrüger passt den Betrug an die Reaktion und das Engagement des Opfers an, alle Zweifel sollen damit aus dem Weg geräumt werden.

Der Betrug ist Facettenreich

Ein weiteres Anzeichen für einen Krypto-Betrug ist die Verwendung digitaler Geldbörsen, sogenannter Wallets. Da Kryptowährungen anonym sind, ist es für raffinierte Kriminelle einfach, ihre Spuren zu verwischen und die Opfer über ihre Verluste im Unklaren zu lassen. Da es bei Kryptowährungen außerdem keine Zentralbank oder Einlagensicherung gibt, können gestohlene Gelder nicht zurückgefordert werden.

Nachdem das Opfer Geld auf der betrügerischen Plattform investiert hat, verschwindet der Liebhaber – natürlich mit dem Geld.

Das FBI schätzt, dass Betrugsopfer im vorigen Jahr über eine Milliarde US-Dollar durch diese Betrügereien verloren haben. Durchschnittlich wurden bei einem geglückten Betrug 180.000 US-Dollar erbeutet.