„Dann wird es Tote geben“: Seltene Krisensitzung bei der Berliner Feuerwehr

Bei der außerordentlichen Personalversammlung entlädt sich am Montag die Wut der Feuerwehrmänner.

Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen am Montag bei der Krisensitzung.
Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen am Montag bei der Krisensitzung.Privat

Wegen den anhaltenden Problemen bei der Berliner Feuerwehr fand am Montag eine Krisensitzung statt. Es war die erste Veranstaltung dieser Art seit fast 20 Jahren. Anlass ist die derzeitige Notlage der Feuerwehr, nahezu täglich wird der Ausnahmezustand angerufen. Zeitweise, heißt es bei der Feuerwehr, steht kein einziger Rettungswagen mehr zur Verfügung.  Als Landesbranddirektor Karsten Homrighausen sich am Montag den Fragen der Feuerwehrmänner stellte, wurde der Ton plötzlich rauer.

Aufgrund einer Vielzahl von Problemen auch in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr droht nach Angaben eines Feuerwehrmanns das Schlimmste. Er sagte an Homrighausen gerichtet: „Wenn wir so weitermachen wie wir gerade fahren, dann wird es Tote geben.“ So müssen RTW immer wieder mit Blaulicht losrasen, wenn Patienten über Schlafstörungen, Übelkeit oder Verstauchungen klagen. Notfälle sind das zwar nicht, dennoch ist die Feuerwehr verpflichtet, zu kommen. In dieser Zeit können die Retter dann nicht bei echten Notfällen wie etwa Schlaganfall oder Herzinfarkt helfen.

Neun Wochen altes Baby reanimiert: „Wir können nicht behandeln“

Auch die derzeitigen Versorgungsschwierigkeiten in den Krankenhäuser seien ein massives Problem. Vor rund zwei Wochen, so der Feuerwehrmann weiter, habe es ein rund „neun Wochen altes Baby gegeben, das reanimiert werden musste“. Unter Reanimationsbedingungen sei der Säugling zu einem Krankenhaus gebracht worden, das Kind sei vorangemeldet worden. Der Mann wörtlich: „Kurz bevor die Kollegen im Krankenhaus eintreffen, ruft uns das Krankenhaus an und sagt: Wir können nicht behandeln. Die (die Besatzung des betroffenen Rettungswagens, Anm. d. Red.) mussten weiterfahren. Die sind dann umgedreht, mit der Mutter an Bord. Sowas kann nicht sein!“ Homrighausen sagte dem Feuerwehrmann dazu, er sei „völlig bei Ihnen“. Daher gehe man jetzt auf die Senatsgesundheitsverwaltung zu und „sage ihnen: Bitte sensibilisiere Deine Krankenhäuser!“

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Ein Vertreter des Personalrats sagt bei der Versammlung zuvor, man sei derzeit „im Notstand“ und  habe „akut ein Problem“. Das werde von der Behördenleitung so aber nicht ausgesprochen. Ein zentraler Vorwurf in diesem Zusammenhang, für den es viel Applaus gab: Je höher die Rangordnung, desto weniger werde Verantwortung übernommen.

„Danach sind Sie durch!“

Auch Stefan Poloczek, der „Ärztliche Leiter Rettungsdienst“ wurde scharf angegangen. So sagte ein Feuerwehrmann an Policzek gerichtet, es sei vermutlich schon lange her, dass „Sie mal Rettungsdienst gefahren sind“. Er lade ihn aber herzlich ein, ein paar Tage mitzufahren. Er garantiere ihm: „Danach sind Sie durch!“ Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst verantwortet nach Angaben der Feuerwehr „das medizinische Qualitätsmanagement und die fachliche Gesamtkonzeption der präklinischen Patientenversorgung und -betreuung. Er legt die hierzu erforderlichen Grundsätze fest. Darüber hinaus sorgt er für die Einhaltung notfallmedizinischer Standards und das Erreichen der Schutzziele.“

Neben Personalvertretern, Gewerkschaftsvertretern und Feuerwehrmännern nahm auch Torsten Akmann, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Berlin, teil. Aktuell kommt es nahezu täglich zum Ausnahmezustand. 2020 gab es nach Informationen der Feuerwehr 1280 Einsätze täglich. Seit Mai 2021 seien die Zahlen sprunghaft angestiegen, auf durchschnittlich 1430 (bis September). Es sei nicht erkennbar, wodurch diese Erhöhung der Einsatzzahlen verursacht wird, hieß es am Montag. Auch sei nicht klar, ob die „hohe Zahl der Einsätze dauerhaft auf diesem Niveau bleibt oder in absehbarer Zeit wieder zurückgehen“ werde.

„Die Kollegen sind unglaublich sauer“

Lars Wieg, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Feuerwehr-Gewerkschaft, hatte im Vorfeld angekündigt, dass er von der Innenverwaltung klare Zusagen und praktikable Lösungen erwarte. „Sonst wird es sehr laut auf der Versammlung“, sagte Wieg. Die Kolleginnen und Kollegen der Berliner Feuerwehr seien „unglaublich sauer“.