Radfahrer applaudieren, Autofahrer hupen: Die Letzte Generation in Friedrichshain

Die Klimaaktivisten protestierten erneut in Berlin. Am Freitagabend liefen Hunderte Demonstranten im Schneckentempo die Frankfurter Allee entlang. 

Berlin: Unterstützer der Klimaaktivisten der Letzten Generation demonstrieren gegen die Einstufung als kriminelle Vereinigung durch die Behörden.
Berlin: Unterstützer der Klimaaktivisten der Letzten Generation demonstrieren gegen die Einstufung als kriminelle Vereinigung durch die Behörden.Sven Käuler/TNN/dpa

Kurz nach 17 Uhr sagt Alexander Rose einen ungewöhnlichen Satz ins Mikrofon. Er sagt ihn in Richtung der rund 1000 Demonstranten und der mehreren Hundertschaften an Polizisten, die den Protestmarsch begleiten. Er erklärt, dass wenn die Polizisten genervt seien, sie ihrer Gewerkschaft sagen sollten, dass die Bundesregierung sich an ihre eigenen Gesetze halten sollte, dann gäbe es diesen Protest nicht. Dann ruft er: „Die Polizei ist nicht unser Feind!“ 

Hunderte Demonstranten beteiligten an dem Protestmarsch sich und starteten um 17 Uhr am Frankfurter Tor in Friedrichshain. Bereits am Mittwoch hatte es einen Protestmarsch der Klimaaktivisten gegeben, um gegen die Razzia am gleichen Tag in mehreren Städten bundesweit gegen die Letzte Generation zu protestieren.

Polizei und Staatsanwaltschaft waren am Mittwoch mit einer Razzia gegen die Letzte Generation vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten vehement, kriminell zu sein, obwohl mehrere bereits wegen Straftaten verurteilt wurden, mitunter auch zu Haftstrafen.

Genau wie vor zwei Tagen ist es auch in Friedrichshain ein sogenannter Slow March. Jeder Schritt braucht beim Langsamen Marsch viele Sekunden, von Weitem sieht es dann so aus, als bewege sich der Protestzug gar nicht. Die Stimmung zwischen Polizisten und Demonstranten war dabei von Anfang an auffällig ruhig. Wenn Aktivisten auf die Straße laufen, werden sie von der Polizei zurückgedrängt auf den Gehweg. Radfahrer stoppen und applaudieren, vorbeifahrende Autofahrer kurbeln zum Teil die Scheiben herunter und rufen: „Ihr Penner!“

Drei Stunden wollen die Aktivisten am Rande einer der wichtigsten Verkehrsachsen Berlins laufen, sagt Raphael Thelen. Er ist Pressesprecher der Letzten Generation für diesen Protestzug und Kolumnist der Berliner Zeitung. Er beschreibt die Stimmung in der Letzten Generation gerade als „sehr ambivalent“. „Wir sind geschockt über die Ereignisse der letzten Tage, fühlen uns aber auch sehr beflügelt.“ Seit den Razzien erfährt die Gruppe großen Zuspruch in der Bevölkerung. „Das sieht man heute auch hier am Protestmarsch.“

Unter den Demonstranten sind viele, die streng genommen nicht zur Letzten Generation gehören können. Eine von ihnen ist Veronika Steinkohl, 65 Jahre alt. Seit Jahrzehnten habe sie kein Auto mehr, sie will die Letzte Generation unterstützen. „Ich finde es skandalös, die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung einzuordnen“, sagt sie. Die Razzien nennt sie eine Katastrophe. „Das ist friedlicher Protest, der Stau wird ausgelöst durch die Autofahrer.“ Für Steinkohl sind die wahren kriminellen Vereinigungen die Autokonzerne.

Auf ihrer Internetseite teilt die Gruppe mit, in den nächsten Tagen und Wochen diese Protestmärsche auf möglichst viele Städte ausweiten zu wollen. „Die Protestmärsche werden vorher öffentlich angekündigt, aber nicht mit den Versammlungsbehörden abgesprochen oder angemeldet.“ Dort erklären sie auch das Schneckentempo, mit dem sie durch die Stadt laufen: „Wir gehen sehr langsam und zeigen so unsere Friedlichkeit und Entschlossenheit.“

Ab dem 5. Juni will die Letzte Generation zudem mit „verschiedenen friedlichen Protesten“ die „rücksichtslose Verschwendung und die Überemissionen der Superreichen entlarven“. Nähere Angaben dazu, was genau geplant ist, machte die Gruppe nicht.

Wer Freitag zwischen den Protestierenden steht oder läuft, so ein großer Unterschied besteht zwischen diesen beiden Wörtern nicht, wird auch Zeuge des recht ungewöhnlichen Small Talks zwischen Demonstrierenden. Einer beschreibt seine Erlebnisse aus der Polizeizelle, eine andere erzählt, wie viele Stunden sie brauchte, um ein Stück Beton von ihrer Hand zu lösen. Als wieder jemand hupt, ruft Raphael Thelen: „Wer hupt, liebt die Letzte Generation!“