„Bin überzeugt, dass es richtig war“: Letzte-Generation-Sprecherin in Berlin vor Gericht

Carla Hinrichs ist Sprecherin der Letzten Generation. Wegen einer Straßenblockade muss sie sich nun selbst vor Gericht verantworten. Verteidiger: ihr Uni-Professor.

Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, steht am Donnerstag vor Gericht.
Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, steht am Donnerstag vor Gericht.Pressefoto Wagner

Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, wird durchaus emotional, als sie ihr Statement zu Anfang der Gerichtsverhandlung vorträgt. Sie habe selbst mal Jura studiert, sagt Hinrichs, „Berufswunsch Richterin“. Heute sitzt sie als Angeklagte auf der anderen Seite des Richterpults. Am Ende des Gerichtstages steht kein Urteil, sondern eine Verfahrensunterbrechung. Die Angeklagte hält den Richter für voreingenommen und beantragt einen Wechsel.

Am Donnerstag, 11 Uhr, findet im Amtsgericht Tiergarten einer der vielen Prozesse zu Protestaktionen der Letzten Generation statt. Wieder steht mit Hinrichs eine junge Klimaaktivistin vor Gericht, wieder wirft ihr die Staatsanwaltschaft Nötigung von Autofahrerinnen und Autofahrern vor, wieder geht es um eine Straßenblockade in der Frühphase der Protestgruppe im Februar letzten Jahres. Allein an diesem Donnerstag finden drei solcher Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten statt.

„Wir kreieren Aufmerksamkeit“, erklärt Hinrichs in einem längeren politischen Diskurs mit dem Richter. „Erst die Unterbrechung sorgt dafür, dass das Thema die notwendige Aufmerksamkeit bekommt.“ Sie meint die Störung des Alltags durch die Blockaden. Dadurch sei eine öffentliche Debatte entstanden. Sie habe gehofft, dass eine konstruktive Diskussion auch im Gerichtssaal hätte entstehen können, sagt Hinrichs der Berliner Zeitung am Ende des Prozesstags, habe aber irgendwann gemerkt, dass der Richter Christoph Weyreuther für ihre Argumente nicht mehr zugänglich gewesen sei. „Mir wurde klar, er ist voreingenommen.“

Die Angeklagte bricht mit der Routine der täglichen Klimaaktivisten-Prozesse, durch sie sticht das Verfahren heraus. Denn sie gilt als eines der Gesichter der Letzten Generation. In Deutschland ist Carla Hinrichs einem breiteren Publikum spätestens bekannt, seit sie bei „Anne Will“ mit Bundesjustizminister Marco Buschmann darüber debattierte, wer die eigentlichen Gesetzesbrecher sein, die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation oder die Bundesregierung.

Letzte Generation: Carla Hinrichs verteidigt Klimablockaden – keine Nötigung

Hinrichs hält ihr Verhalten nicht für strafbar, wie sie im Vorfeld des Prozesses in einem taz-Interview sagte. „Wenn ich mir die Gesetze angucke, dann braucht es für eine Nötigung ein verwerfliches Verhalten“, sagte sie. Die Klimakrise sei die größte Krise, die sie sich vorstellen könne. „Deswegen setze ich mich jetzt friedlich auf eine Autobahn und unterbreche diesen todbringenden Alltag. Das halte ich nicht für verwerflich.“

Hinrichs Verteidiger ist ihr ehemaliger Uniprofessor. Gerd Winter lehrt öffentliches Recht an der Universität Bremen, Schwerpunkt: vergleichendes europäisches und internationales Umweltrecht. Auch Winter beschreibt den Richter nach Ende des Prozesstags als voreingenommen. Deswegen habe er auch einen Ablehnungsantrag gegen den Richter gestellt. Es sei schnell deutlich geworden, dass der Richter von der Schuldbarkeit überzeugt ist. So könne er kein faires Urteil fällen.

Nun entscheidet ein anderer Richter über den Antrag des Anwalts. Wird der Antrag angenommen, führt Weyreuther das Verfahren nicht weiter, wird er abgelehnt, entscheidet Weyreuther über Schuld und Unschuld von Carla Hinrichs. Wann der nächste Prozesstag stattfindet, steht noch nicht fest.

Die Verhandlung wird dann mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung fortgesetzt. Für sein Plädoyer kündigt Verteidiger Gerd Winter schon einmal an, dass er 30 Minuten angesetzt habe. Er wolle „durchaus grundsätzlicher“ werden. 

(mit dpa)