Treiben die Corona-Verbote Berlins Sexarbeiterinnen in die Fänge von Zuhältern?

Ja, sagt der Spitzenkandidat der Freien Wähler Berlin, Marcel Luthe. Er kritisiert Berlins Corona-Politik, auch hinsichtlich „körpernaher Dienstleistungen“.

Prostitution findet – trotz Verbots – auch in der Corona-Krise statt (Symbolbild).
Prostitution findet – trotz Verbots – auch in der Corona-Krise statt (Symbolbild).Imago/Lichtgut/Max Kovalenko

Berlin-Der Abgeordnete Marcel Luthe hat die Corona-Bestimmungen, die den Umgang mit Prostitution und körpernahen Dienstleistungen in Berlin regeln, scharf kritisiert. Der Politiker, der Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Abgeordnetenhauswahl ist, wirft dem Senat vor, mit dem coronabedingten Verbot bisher legaler Prostitution indirekt die Prostitutionsangebote der Organisierten Kriminalität zu fördern. Dieses Problem habe seinen Ursprung in schwer nachvollziehbaren Gesundheitsschutzregeln, die einerseits beispielsweise medizinische und bestimmte nicht-medizinische Massagen erlauben, aber andererseits sogenannte erotische Massagen und die geregelte Sexarbeit verbieten.

Der Abgeordnete Luthe wollte im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage vom Berliner Senat wissen, warum die Erbringung sogenannter körpernaher Dienstleistungen als weniger gefährlich eingestuft werde als die Ausübung der legalen Prostitution, insbesondere in Prostitutionsstätten. Der Unterschied beim Corona-Infektionsrisiko liege „in der besonderen und langandauernden körperlichen Nähe“ bei sexuellen Dienstleistungen, heißt es in der Antwort des Senats.

Doch an der Begründbarkeit dieser Unterscheidung zweifelt Luthe ausdrücklich: „Der einzige Unterschied zu anderen ‚körpernahen Dienstleistungen‘ liegt in einem Bereich, der bei legalen Prostituierten in sauberen Bordellbetrieben durch ein Kondom sogar besonders sicher ist“, sagte er der Berliner Zeitung.

Luthe: Senat fördert die boomenden Geschäfte der Organisierten Kriminalität

Das Verbot geregelter Prostitution aus Infektionsschutzgründen berge die offenkundige Gefahr, dass sich potenzielle Kunden nach Alternativangeboten umsehen – in einem Bereich, in dem man sich ohnehin nicht für Recht und Gesetz interessiere. „Der Senat fördert mit seiner Verordnungspolitik schlicht die aktuell boomenden Geschäfte der Organisierten Kriminalität – Menschenhandel und Zwangsprostitution – und verschließt vor dem dadurch verursachten Elend ganz fest die Augen“, sagte Luthe der Berliner Zeitung. Und weiter: „Egal ob das Zufall oder Absicht ist – es ist ein fatales Bild!“

An der Berliner Kurfürstenstraße liefen die Geschäfte auch am Donnerstag.
An der Berliner Kurfürstenstraße liefen die Geschäfte auch am Donnerstag.Volkmar Otto

Senat: Organisiertes Verbrechen wird durch gezielte Maßnahmen bekämpft

Vom Berliner Senat heißt es hingegen, dass der Organisierten Kriminalität durch gezielte Maßnahmen entgegengewirkt werde. Es sei ein wichtiges Anliegen, „die häufig sehr prekäre Situation der Personen, die in dieser Branche (der Sexarbeit, Anm. d. Red.) arbeiten, zu berücksichtigen und zu verhindern, dass aufgrund des pandemiebedingten Tätigkeitsverbotes neue Abhängigkeitsverhältnisse etc. entstehen“.

Beispielsweise könnten mit der sogenannten Neustarthilfe „nun auch Solo-Selbstständige (darunter auch Sexarbeitende), die wegen fehlender laufender Betriebskosten keine Überbrückungshilfe bekommen können, Gelder beantragen“. Potenzielle Betroffene von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung würden außerdem auf unterschiedlichen Wegen identifiziert, über ihre Rechte informiert und auf Wunsch beraten.