„Manifest für den Frieden“: Mehr als 500.000 Unterschriften

Die Forderung nach Friedensgesprächen von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer findet immer mehr Zustimmung. Doch es gibt auch Kritik.

Verbündete: Wagenknecht und Schwarzer.
Verbündete: Wagenknecht und Schwarzer.Rolf Vennenbernd/dpa

Eine halbe Million Menschen hat inzwischen das „Manifest für den Frieden“ mit der Forderung nach Friedensgesprächen mit Russland im Ukraine-Krieg unterschrieben. Laut Zählung der geleisteten Unterschriften auf der Website change.org überschritt die Zahl der Unterstützenden am Freitagabend die 500.000-Marke. Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hatten die Petition vor einer Woche veröffentlicht.

In ihr wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf deutscher wie europäischer Ebene „an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen“ zu setzen, statt weiter Waffen in die Ukraine zu liefern. Die Ukraine könne gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen, heißt es darin. Verhandeln heiße, „Kompromisse machen, auf beiden Seiten“.

„Manifest für den Frieden“: Forderungen umstritten

Die Forderungen der Petition sind umstritten. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest-France, dass er derzeit keine Chance für diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in seinem Land sieht. „Ich mag jeden, der Frieden durch diplomatische Initiativen erreichen will“, sagte Kuleba. „Aber wie kann eine solche Initiative funktionieren? Sollte der Preis für den Frieden darin bestehen, dass Russland in den besetzten Gebieten bleibt?“

Einer der Erstunterzeichner des Manifests, der Politologe Johannes Varwick, hat mittlerweile seine Unterschrift zurückgezogen. Er begründete den Schritt damit, dass er sich „in keiner Form und bei keiner Sache“ mit Extremisten gemein machen wolle. Unter den Erstunterzeichnern des Manifests, in dem vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs gewarnt wird, seien „mehrheitlich integre Persönlichkeiten aus unterschiedlichen politischen Lagern“ gewesen, schrieb Varwick am Freitag in einer Stellungahme. Inzwischen seien jedoch „zunehmend Personen dabei, mit denen ich nicht gemeinsam genannt werden möchte“.

Nachdem auch AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla seine Unterstützung für das Manifest erklärt hatte, war der Linke-Politikerin Wagenknecht und Emma-Herausgeberin Schwarzer mangelnde Abgrenzung vorgeworfen worden.

Schwarzer und Wagenknecht verteidigten ihre Petition. In einem am Donnerstag veröffentlichten Streitgespräch mit Journalisten des Spiegel erklärte Schwarzer, die große Aufmerksamkeit für die Petition spiegele das „enorme Bedürfnis in der Bevölkerung, jetzt für Verhandlungen und Frieden einzutreten“. 

Käßmann verteidigt ihre Unterschrift

Die evangelische Theologin Margot Käßmann, die ebenfalls zu den Erstunterzeichnerinnen des Manifests von  Wagenknecht und Schwarzer gehört, verteidigte dagegen in mehreren Medien ihre Unterschrift unter die umstrittene Petition

Sie sei und bleibe Pazifistin, schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau. „Dabei habe ich die Demut, zu wissen, dass ich schuldig werde an Menschen, die sich mit der Waffe verteidigen wollen.“ Sie habe zwar auch Verständnis für den Ruf nach Waffen. „Aber in einer Demokratie nehme ich mir das Recht heraus, bei meiner Position zu bleiben“, schrieb Käßmann.

Der Pazifismus kenne andere Narrative als die militaristischen, schrieb Käßmann in der Frankfurter Rundschau. Da gehe es um Mediation, Diplomatie, gewaltfreie Konfliktbewältigung und zivilen Widerstand. „Kurzfristige Lösungen, den entsetzlichen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden, hat die Friedensbewegung nicht. Aber die Bellizisten und Waffenlobbyisten haben sie auch nicht“, schrieb sie.

Käßmann bemängelte die nach ihrer Einschätzung einseitige Debatte über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Diskurs in Deutschland spiegele bisher nicht, dass die Hälfte der Menschen die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisch sehe, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin dem Kölner Stadt-Anzeiger. Aber diese Haltung werde in der Debatte „gnadenlos niedergemacht“.