Medienzentrum des SWR: „Palast für gehobene Ansprüche“

An dem neuen Medienzentrum des SWR gibt es scharfe Kritik. Dabei geht es auch um die Finanzierung des Baus durch einen Grundstücksverkauf in Millionenhöhe. 

So soll das neue Medienzentrum aussehen: Der Entwurf des Architekturbüros „Wurm + Wurm Architekten Ingenieure GmbH“ gewann Platz Eins des Realisierungswettbewerbes.
So soll das neue Medienzentrum aussehen: Der Entwurf des Architekturbüros „Wurm + Wurm Architekten Ingenieure GmbH“ gewann Platz Eins des Realisierungswettbewerbes.SWR

In wenigen Monaten soll das neue Medienzentrum des öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunks (SWR) eröffnet werden. Rund 60 Millionen Euro kostet der Bau des neuen Areals. Das Projekt wird unter anderem durch den millionenschweren Verkauf eines Grundstücks des SWR finanziert. Hier entstehen hochwertige Wohnungen. Der Baden-Badener Stadtrat und FDP-Fraktionsvorsitzende Rolf Pilarski sieht sowohl den Neubau als auch den Grundstücksverkauf kritisch. Er sagte der Berliner Zeitung, dass ihn das neue Medienzentrum „an einen Palast für gehobene Ansprüche“ erinnere. Dass auf dem vom SWR an den Meistbietenden verkauften Grundstück statt Sozialwohnungen oder zumindest sehr günstigen Wohnungen in erster Linie Wohnraum für den gehobenen Mittelstand geschaffen wird, hält Pilarski für „sozial ungerecht“.

Bereits im Jahr 2015 hatte der SWR zwei städtebauliche Wettbewerbe ausgelobt, einen für den Neubau des neuen Medienzentrums und den anderen für das seinerzeit in SWR-Besitz befindliche Areal „Am Tannenhof“ mit rund 46.000 Quadratmetern Fläche. Der Wert des Areals beträgt rund 20 Millionen Euro. Der Tannenhof sollte zuerst verkauft und anschließend mit hochwertiger Wohnbebauung neu gestaltet werden. Beide Wettbewerbe wurden in den zuständigen Gremien des Baden-Badener Stadtrats in nicht-öffentlicher Sitzung durchgewunken. Martin Ernst, seinerzeit Stadtrat der FBB und Immobilienexperte, hatte 2018 dazu gesagt: „Es werden überteuerte Wohnungen in einer vollkommen überzogenen Menge gebaut.“ Und weiter: „Mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von vielleicht 3.000 oder 3.500 Euro können Sie keine Wohnung für 600.000 Euro finanzieren. Der SWR und die Stadt spielen auf dem Rücken der eigenen Bürger Immobilien-Monopoly.“ Dennoch wurden beide Bauvorhaben umgesetzt.

42.000 Kubikmeter Stein gesprengt

Um das neue Medienzentrum in Hanglage überhaupt bauen zu können, mussten jedoch zunächst 42.000 Kubikmeter Stein mit Sprengstoff entfernt werden. Nach Angaben der Badischen Neuen Nachrichten (BNN) habe es „viele kleine Einzelsprengungen“ gegeben. Laut BNN habe der zuständige SWR-Projektleiter Marcus Menzel mitgeteilt, dass insgesamt rund 1.800 Lkw-Ladungen mit gesprengtem Gestein abtransportiert werden mussten. Auch für die insgesamt rund 400 neuen Wohnungen in 19 Mehrfamilienhäusern entlang der Hans-Bredow-Straße, teils mit Dachterrassen, mussten die Architekten zunächst sprengen, für rund 180 unterirdische Autoparkplätze im neuen Wohngebiet mussten ebenfalls Sprengmeister anrücken. Insgesamt sollen 580 Stellplätze unterirdisch entstehen.

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Das Immobilienunternehmen Epple wirbt damit, dass am Tannenhof „ein neues Quartier für Familien, Singles und Paare aller Generationen“ entstehe. Auf der Homepage des Unternehmens heißt es: „Viel Raum für Familien bieten unsere Talraum-Häuser mit Maisonettewohnungen, sowie Vier-Zimmer-Wohnungen. Direkt daneben befinden sich unsere Kristallhäuser mit Drei- bzw. Vier-Zimmer-Wohnungen.“ Tatsächlich zeigte sich anhand der Anfragen zuletzt, dass aber gerade Familien mit Kindern eher nicht zu den künftigen Bewohnern des Tannenhofes zählen.

Nach Angaben der BNN würden Familien „eher verhalten auf das Angebot“ reagieren. Die Zeitung beruft sich dabei auf einen Sprecher von Epple. Laut dem Sprecher sei der Grund dafür der, dass der Markt für Familien mit Kindern eben „gering“ sei. Damit werde auch eine andere Einschätzung des Rathauses widerlegt. Dass Familien mit Kindern so zurückhaltend seien beim Kauf einer Tannenhof-Wohnung, könne jedenfalls „nicht am Preis“ liegen. So gebe es zum einen Förderdarlehen bekommen, zum anderen sei Familien mit zwei oder mehr Kindern einen Zuschuss in Höhe von 10.000 Euro gewährt worden.

„Grundstücksverkauf für schicke Wohnungen“

Dass auf dem früheren SWR-Gelände nun also offenbar Wohnungen für den gehobenen Mittelstand entstehen, ist für FDP-Politiker Liparski „schlichtweg unfair“. Seiner Meinung nach hätte der SWR „der Stadt zumindest einen Teil des Areals günstig abtreten können“, um so „den sozialen Wohnungsbau zu fördern“. Stattdessen wurde aber vom SWR an den Meistbietenden verkauft. Liparski weiter: „Dass sich ein öffentlich-rechtlicher Sender mit einem Grundstücksverkauf für schicke Wohnungen einen doch sehr luxuriösen Neubau finanziert, passt mit dem nach außen hin links-grün-sozialen Anstrich der ARD nicht zusammen.“

Im Stadtrat von Baden-Baden und den Aufsichtsgremien des SWR sieht hier hingegen keine Probleme. Die Grünen-Politikerin Cindy Holmberg etwa ist als Verwaltungsrätin beim SWR tätig. Sie sagte den BNN zum neuen Medienzentrum und dem Verkauf des Tannenhofs, der SWR habe „immer sehr gut aufgeklärt und transparent die Kosten offengelegt.“ Bei den Grünen ist Holmberg unter anderem Vorsitzende des örtlichen Arbeitskreises Landesentwicklung und Wohnen. 

Auch CDU-Politiker Kai Jehle-Mungenast, der ebenfalls im SWR-Verwaltungsrat sitzt, fühlte sich stets „gründlich und ausreichend informiert“. Die Finanzierung des neuen Medienzentrums „erscheint mir realistisch“, wird der Politiker in den BNN zitiert. Mungenast sitzt beim SWR im Verwaltungsrat, dem Finanzausschuss, dem Landesrundfunkrat Baden-Württemberg sowie dem Landesprogrammausschuss Baden-Württemberg. Jetzt will Mungenast in der Politik Karriere machen; Am 25. September 2022 tritt er bei der Wahl zum Bürgermeister von Rottweil in Baden-Württemberg an.