Berlin-Mindestens 61 Geistliche waren im Bereich des katholischen Erzbistums Berlin zwischen 1946 und Ende 2019 am sexuellen Missbrauch von Minderjährigen beteiligt. Insgesamt sind in dieser Zeit 121 Opfer aus den Akten bekannt geworden. Das geht aus einem unabhängigen Gutachten im Auftrag der Kirche hervor, das am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Die Dunkelziffer könnte weit höher liegen, heißt es in dem Bericht der Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Bei den Beschuldigten handele es sich vor allem um Priester und Ordensmitglieder, die im Bereich des Bistums tätig waren.
Hierarchische Strukturen und mangelnde Kommunikation hätten Aufklärung und Prävention behindert, vermerkt das Papier. Der Jurist Peter-Andreas Brand, einer der Autoren, sprach von „systematischer Verantwortungslosigkeit“. Man habe mit allen Mitteln versucht, „Schaden von der Institution Kirche abzuwenden“, sagte Mitautorin Sabine Wildfeuer. Die Kirchenleitung habe eine größere Empathie für die Täter als für die Opfer gehabt.
In 21 Fällen hat laut Gutachten die Justiz ermittelt, davon seien in elf Fällen Gerichtsverfahren eröffnet worden. Mit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg habe es 2002 einen Paradigmenwechsel zu mehr Offenheit gegenüber Missbrauchsfällen gegeben.
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Er übernehme die Verantwortung, „wo vertuscht oder nicht angemessen mit Schuld umgegangen wurde, wo Menschen im ‚System Kirche‘ das Offensichtliche nicht wahrhaben wollten oder systematisch weggeschaut haben“, sagte Erzbischof Heiner Koch. Betroffene, die sich bisher noch nicht gemeldet hätten, sollten sich an die Kirche wenden. Eine Kommission aus Priestern und Laien soll nun das Gutachten aufarbeiten und Vorschläge für den künftigen Umgang mit Missbrauchsfällen vorlegen.
Zum Erzbistum gehören Berlin, der zentrale und der nördliche Teil Brandenburgs, Vorpommern sowie die Stadt Havelberg in Sachsen-Anhalt.
