Mordanschlag auf Abe: Hatte der Attentäter ein religiöses Motiv?

Nach dem Attentat auf Japans Ex-Premier Abe mehren sich Hinweise auf das Motiv des Täters. Spekulationen ranken sich um eine mögliche Sektenzugehörigkeit.

Der damalige japanische Premierminister Shinzo Abe 2020 in Tokio (Archivbild)
Der damalige japanische Premierminister Shinzo Abe 2020 in Tokio (Archivbild)AP/Eugene Hoshik

Der Attentäter des früheren japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe soll ursprünglich den Anführer einer religiösen Gruppe zum Ziel gehabt haben. Das habe der am Freitag festgenommene 41-jährige Japaner beim Verhör ausgesagt, erfuhr die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Samstag aus Ermittlerkreisen.

Der Mann hatte Abe während einer Wahlkampfrede in der Stadt Nara auf offener Straße aus drei Meter Entfernung von hinten mit einer selbstgebauten Waffe erschossen. Er sei „unzufrieden“ mit Abe und habe ihn „töten“ wollen, wurde er zitiert. Er hege einen Hass auf eine „bestimmte Organisation“, zu der Abe Verbindungen habe.

Medien schüren brisante Spekulation

Die von Japans Medien transportierte vage Bezeichnung „bestimmte“ religiöse Organisation schürte im Internet Spekulationen, es könnte sich dabei eventuell um die umstrittene Vereinigungskirche des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun handeln. Die auch als Mun-Sekte bekannte Vereinigungskirche hat Mitglieder in vielen Ländern, darunter auch in Japan, und unterstützt konservative politische Anliegen. Politiker wie der frühere US-Präsident Donald Trump und Abe gelten als ihr freundlich gegenüber eingestellt. Mun, der stark antikommunistisch gesinnt war, hatte sie 1954 gegründet.

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Wie der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK am Samstag aus Ermittlungskreisen erfuhr, soll der Attentäter ausgesagt haben, dass seine Mutter der „bestimmten Organisation“ beigetreten sei und ihr sehr viel Geld gespendet habe, was die Familie zerrüttet habe. Das Attentat hatte in aller Welt Entsetzen ausgelöst. Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt und verfügt über äußerst strenge Waffengesetze. Der Mordanschlag geschah kurz vor den Wahlen zum Oberhaus des nationalen Parlaments an diesem Sonntag. Sie sollen trotz des Attentats wie geplant stattfinden, hieß es vonseiten der Regierung.

Kritik an Sicherheitspersonal wird laut

Das Attentat warf unterdessen Fragen auf, wieso das Sicherheitspersonal vor Ort den Anschlag mit einer selbstgebauten Schusswaffe nicht verhindern konnte. „Ich glaube nicht, dass es in Japan mit seinen strengen Waffengesetzen genügend Vorsichtsmaßnahmen für Schusswaffen gibt“, wurde ein Experte für Personenschutz von der japanischen Zeitung Nikkei am Samstag zitiert. Die Nationale Polizeibehörde will laut Medienberichten nun ihr Sicherheitsprotokoll für prominente Persönlichkeiten auf Mängel hin überprüfen.

Leichnam nach Tokio überführt

Am Montagabend wird laut japanischen Medien eine Totenwache für den früheren Ministerpräsidenten abgehalten. Sein Begräbnis soll demnach am Dienstag im engsten Kreis stattfinden.

Trauernde versammeln sich nahe dem Anwesen von Abe.
Trauernde versammeln sich nahe dem Anwesen von Abe.AFP

Der Verstorbene soll inzwischen nach Tokio überführt worden sein. Ein Leichenwagen traf am Samstag an Abes Anwesen in der japanischen Hauptstadt ein, wie eine AFP-Journalistin berichtete. Fernsehaufnahmen zeigten, wie sich hochrangige Mitglieder von Abes liberaldemokratischer Partei LPD versammelten, um dem Ex-Ministerpräsidenten die letzte Ehre zu erweisen.