Einsamkeit im Alter: Müntefering fordert Gesetz
Der frühere SPD-Chef ist Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.

Berlin-Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering fordert, das Thema Einsamkeit im Alter mit gesetzlichen Regelungen anzugehen. „Bund und Länder sollten den Kommunen per Gesetz besondere Aufgaben in dem Bereich Altersstrukturen geben“, so der heutige Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.
Nötig sei in dem Zusammenhang auch Geld für Sozialarbeiter in allen Kommunen. Aus Einsamkeit könne Depression entstehen, sagte der 80-jährige Müntefering: „Das Essen kommt auf Rädern, die Menschen müssen nichts mehr tun, das ist ziemlich trostlos.“ Und: „Ja, es werden Menschen gefunden, die elend dran sind, manche gestorben, ohne dass es jemand gemerkt hätte.“
Rund 17 Millionen Bundesbürger leben nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts in einem Single-Haushalt. 5,8 Millionen davon sind über 65 Jahre alt. „In den ersten Corona-Monaten haben wir besonders deutlich zu spüren bekommen, wie sich Isolation und mangelnde soziale Kontakte auswirken können“, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Viele Ältere hätten in ihrem langen Leben Krisen und Sorgen zu bewältigen gelernt.
Dennoch zeige die Pandemie, dass es Grenzen gebe dafür, es aus eigener Kraft zu schaffen. „Trotz einer Vielzahl von Hilfen und Angeboten gelingt es offensichtlich nicht gut genug, diejenigen, die wirklich einsam sind und Hilfe brauchen, auch zu erreichen“, so Giffey. Sie verwies auf neue Konzepte dazu, „wie man jene, die sich nicht mehr selbst helfen können, erreicht und sie motiviert, diese auf sie zugeschnittenen Hilfen auch anzunehmen“. Ihr Ministerium fördere etwa 29 Projekte gegen ungewollte Einsamkeit mit fünf Millionen Euro.
Finanzielle Unterstützung gefordert
Der Präsident des Deutschen Caritasverbands Peter Neher sagte: „Zuerst einmal, nein – wir fordern keine neuen Bundes- und Landesgesetze.“. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bemängelte, viele Kommunen ließen es an finanzieller Unterstützung für die Altenhilfe fehlen. „Die Altenhilfe sollte daher als kommunale Pflichtaufgabe festgeschrieben werden“, forderte er.
- Vernetzung: „Auf Rädern zum Essen“ – das propagiert die Arbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen in gut 100 Städten. „Da treffen sich Ältere und fahren mit dem Rad oder dem ÖPNV oder gehen zu Fuß. Wenn sich die Menschen erst einmal dazu überwunden haben, kann das schnell Spaß machen“, so Müntefering. Giffey verweist auf ein gefördertes Projekt mit Besuchsangeboten. Neher vom Caritasverband sagt, die Quartiere müssten sich besser auf Hilfebedürftige einstellen – durch Stadtentwicklung ebenso wie durch Sicherung der Mobilität und generationengerechtes Wohnen.
- Demenz: Zuerst müsse die Krankheit weiter enttabuisiert werden, meint Müntefering. 500 lokale Allianzen für Demenzkranke gebe es. Die Zahl der Demenzkranken könnte Prognosen zufolge in 30 Jahren um 1,2 auf 2,8 Millionen steigen. Müntefering wirbt außerdem für das Aufsetzen einer Vorsorgevollmacht auch als Hilfe für die Angehörigen.
- Palliative Versorgung: Mit Palliativmedizin schwere Schmerzen erträglich zu machen – darauf haben Versicherte Anspruch. „Wenn aber in einer Kommune kein Facharzt ist und sich niemand kümmert, ist palliative Behandlung in Heimen und zu Hause nicht garantiert“, so Müntefering. Auf dem Land sei das oft so, weshalb Kommunen die Aufgabe haben müssten, „sich einzuschalten – so wie sie es bei Kitas und Schulen auch müssen“.