Brandanschlag auf Ferat Kocak: „Meine Eltern hätten sterben können“

Jahrelang kam es zu rechtsextremen Anschlägen in Neukölln, auch Ferat Kocaks Auto brannte. Unter den psychischen Folgen leidet der Linken-Abgeordnete bis heute.

Ferat Kocak wurde im Jahr 2018 Opfer eines rechtsextremen Brandanschlags. Nun Berichtete er im Untersuchungsausschuss von der Tatnacht.
Ferat Kocak wurde im Jahr 2018 Opfer eines rechtsextremen Brandanschlags. Nun Berichtete er im Untersuchungsausschuss von der Tatnacht.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Der Berliner Linken-Politiker Ferat Kocak ist nach eigenen Angaben bis heute von den Folgen eines Brandanschlags auf sein Auto im Jahr 2018 traumatisiert. Er lebe wachsam, in Alarmbereitschaft und fühle sich bedroht, erklärte Kocak am Freitag im Berliner Abgeordnetenhaus. Kocak sprach dort als Zeuge im Untersuchungsausschuss zu rechtsextremen Brandanschlägen und Drohungen in Neukölln. Auch ein ähnlich betroffener Gewerkschafter berichtete von Angst und Besorgnis.

Das Auto des Linken-Politikers war in der Nacht zum 1. Februar 2018 vor dem Haus seiner Eltern angezündet worden – auch diese hätten immer noch unter den Folgen der Tat zu leiden. „Meine Mutter zitterte, wir hatten alle Todesangst“, zitiert der RBB Kocaks Aussagen im Untersuchungsausschuss. „Meine Eltern hätten sterben können, weil ich mich politisch engagiert hatte.“ Ein Feuerwehrmann habe ihnen damals mitgeteilt, sie alle hätten Glück gehabt. Eine Gasleitung sei außen an der Wand verlaufen.

Rechtsextreme Anschlagsserie: Ermittler räumen Fehler ein

Vor der Brandstiftung sei ihm keine Bedrohung aufgefallen, sagte Kocak. Erst später habe er erfahren, dass der Verfassungsschutz Gespräche der Verdächtigen abgehört habe, in denen er beschimpft worden und als mögliches Ziel von Taten genannt worden sei. Er sei offenbar schon lange im Visier der Neonazis gewesen, sagte Kocak und kritisierte, dass er nicht früher gewarnt worden sei.

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Weil er nach dem Brandanschlag weiter Droh-SMS, Drohanrufe und Drohschreiben erhalten habe, so berichtete Kocak weiter, habe er viele Gespräche mit ermittelnden und leitenden Kriminalpolizisten gehabt. Manche seien informativ und zugewandt gewesen, andere weniger – seine Fragen seien dabei nicht immer beantwortet worden. Die Polizei habe ihn dann jahrelang in Sicherheitsgesprächen beraten.

Polizei und Verfassungsschutz gaben im Nachhinein Fehler bei den Ermittlungen zu. Im Laufe der anschließenden internen Ermittlungen waren zudem zwei Staatsanwälte versetzt worden, weil der Anschein der Befangenheit offenbar nicht ausgeschlossen werden konnte. Kritisiert wurde auch deren Umgang mit den Opfern der Anschläge.

Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus gestartet

Als zweiter Zeuge sagte am Freitag ein Gewerkschafter aus, dessen Auto schon vor dem Angriff auf Kocak, im Januar 2017, angezündet worden war. Er habe sich stets gegen Rechtsextreme in Neukölln engagiert und schließlich regelmäßig Aufkleber von rechtsradikalen Organisationen an seinem Garteneingang und an seinem Auto gefunden. „Man lebt nicht mehr unbefangen, überlegt, wann und wo man lang geht“, so der Gewerkschafter. In seinem Haus stünden inzwischen mehrere Feuerlöscher.

Hintergrund des Untersuchungsausschusses ist eine jahrelange Serie von rechtsextremen Drohungen, Hakenkreuz-Schmierereien sowie einiger Brandanschläge im Süden Neuköllns. Diese hatten sich vor allem gegen linke Vereine und politisch links engagierte Menschen gerichtet. Zwei Neonazis wurden inzwischen wegen einiger dieser Taten angeklagt und stehen vor Gericht. Kocak ist Nebenkläger in dem Prozess.

Der Untersuchungsausschuss will indes klären, ob es bei den Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft schwerwiegendere Fehler gab, auch weil diese lange erfolglos waren. Inzwischen wurden die beiden mutmaßlichen Täter – zwei seit langem bekannte Männer aus der Neonazi-Szene – vor Gericht gestellt. Zwei Sonderermittler hatten 2021 festgestellt, die Justiz habe den Seriencharakter der Taten zu spät erkannt und die Staatsanwaltschaft habe ihre Ermittlungen zu früh eingestellt.