Nach Zugunglück: Erneut Zehntausende Griechen auf der Straße

Seit mehreren Tagen protestieren die Menschen gegen die griechische Regierung. Vertreter des öffentlichen Dienstes legten für 24 Stunden ihre Arbeit nieder.

Athen: Zehntausende Griechen sowie Gewerkschaften protestieren nach dem Zugunglück gegen die Regierung.
Athen: Zehntausende Griechen sowie Gewerkschaften protestieren nach dem Zugunglück gegen die Regierung.Vasilis Rebapis/imago

In Griechenland sind erneut zehntausende Menschen als Reaktion auf das verheerende Zugunglück vor einer Woche auf die Straße gegangen. Allein in der Hauptstadt Athen zählte die Polizei am Mittwoch mindestens 40.000 Demonstranten, in der zweitgrößten Stadt Thessaloniki waren es 15.000 und in Patras 10.000. Gleichzeitig legten Streiks und Arbeitsniederlegungen das Land lahm. Bei den Protesten gab es Rufe nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis.

Auf der Strecke zwischen Athen und Thessaloniki waren am 28. Februar kurz vor Mitternacht ein Personenzug und ein auf demselben Gleis entgegenkommender Güterzug frontal zusammengestoßen. Mindestens 57 Menschen starben, 14 Verletzte wurden am Mittwoch immer noch im Krankenhaus behandelt. Es war das schwerste Zugunglück in der Geschichte des Landes.

Ein Bahnhofssteher, der eingeräumt hatte, die Umleitung der Züge versäumt zu haben, wurde inhaftiert und angeklagt. Medienberichten zufolge hatte der 59-Jährige den Posten erst 40 Tage inne, nachdem er zuvor ein dreimonatiges Training absolviert hatte. Bis zu dem Unglück arbeitete er offenbar vier Tage lang alleine auf dem Bahnhof, obwohl es sich um ein verlängertes Feiertagswochenende mit starkem Zugverkehr handelte.

Zugunglück in Griechenland: Landesweite Proteste gegen die Regierung

Der Umgang der Politik mit der Tragödie löste landesweit heftige und teils gewaltsame Proteste aus. Viele werfen der Regierung vor, die Verantwortung auf den Bahnhofsvorsteher zu schieben. Für sie ist das Unglück die Konsequenz jahrelanger Sparpolitik sowie der Misswirtschaft bei der Bahn.

Ein brennendes Fahrzeug in Athen: Nach einem Zugunglück mit 57 Toten protestieren zehntausende Griechen gegen die Regierung. Einige Proteste schlugen vor wenigen Tagen in Gewalt um.
Ein brennendes Fahrzeug in Athen: Nach einem Zugunglück mit 57 Toten protestieren zehntausende Griechen gegen die Regierung. Einige Proteste schlugen vor wenigen Tagen in Gewalt um.Kostas Tzoumas/imago

Zwar trat Verkehrsminister Kostas Karamanlis nur wenige Stunden nach dem Unglück zurück, und auch Mitsotakis entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer. Später forderte der konservative Regierungschef den Obersten Gerichtshof auf, der juristischen Aufarbeitung des Unglücks „oberste Priorität“ einzuräumen. Zugleich kündigte er an, mit Hilfe der EU das veraltete Bahnnetz zu modernisieren.

Doch konnte Mitsotakis die Wut vieler Menschen damit offenbar nicht besänftigen. Sie nehmen es ihm besonders übel, dass er kurz nach dem Unglück von einem „tragischen menschlichen Fehler“ gesprochen hatte. Die Bahngewerkschaften erinnerten daran, dass sie schon lange vor der Katastrophe vor technischen Mängeln gewarnt hatten.

Griechenland: Zugunglück könnte Einfluss auf baldige Wahlen nehmen

Am Mittwoch legten Vertreter des öffentlichen Dienstes für 24 Stunden die Arbeit nieder, ebenso wie Ärzte, Lehrer, Busfahrer und das Fährpersonal. Die Züge standen bereits für den achten Tag in Folge still.

In Griechenland stehen demnächst Parlamentswahlen an. In den Medien wird nun spekuliert, dass die eigentlich für April geplanten Wahlen um einen Monat verschoben werden könnten. Auf die Frage, wann Mitsotakis einen Wahltermin festlegen werde, hatte Regierungssprecher Giannis Economou am Montag gesagt, diese Frage sei für den Ministerpräsidenten derzeit „kein Thema“.