Die monatlichen Abschlagszahlungen für Verbraucher von Erdgas werden sich nach Einschätzung der Bundesnetzagentur im kommenden Jahr mindestens verdreifachen. „Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppeln sich die Abschläge bereits - und da sind die Folgen des Ukraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt“, sagte der Präsident der Behörde, Klaus Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag). „Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens“, fügte er hinzu.
Es sei „absolut realistisch“, dass Kunden, die derzeit 1500 Euro im Jahr für Gas bezahlen, künftig mit 4500 Euro und mehr zur Kasse geben werden, sagte Müller weiter. An den Börsen hätten sich die Preise zum Teil versiebenfacht. „Das kommt nicht alles sofort und nicht in vollem Umfang bei den Verbrauchern an, aber irgendwann muss es bezahlt werden. Und deshalb ist es ja auch so sinnvoll, jetzt stärker zu sparen.“
„Was kann man tun, um die Heizung zu optimieren? “
Die Menschen müssten jetzt vorsorgen - und zwar sowohl technisch wie finanziell, mahnte der Netzagentur-Chef. „Ich habe zwei Botschaften. Erstens: Erhöht freiwillig euren Abschlag oder legt jeden Monat etwas Geld zurück, etwa auf ein Sonderkonto. Zweitens: Redet mit eurem Vermieter oder einem Handwerker, wenn er noch verfügbar ist. Was kann man tun, um die Heizung zu optimieren?“
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Etwa die Hälfte der Gasthermen in Deutschland sei nicht gut eingestellt, sagte Müller. Mit kleinem Aufwand lasst sich „ein großer Spareffekt erzielen“.
Auf die Frage, was er davon halte, die höheren Beschaffungskosten der Gashändler mit einer Umlage an die Gaskunden weiterzugeben, sagte der Netzagenturchef: „Das ist eine politische Entscheidung, die man sehr genau abwägen muss.“ Man könnte so mit Milliarden die Unternehmen unterstützen. Die andere Variante wäre, „die Preise durchzugeben und dann zielgenau denen zu helfen, die sie nicht mehr tragen können“.
„Selbst im schlimmsten Szenario wird Deutschland weiter Gas bekommen“
Müller trat Befürchtungen entgegen, dass Privathaushalte im Fall einer Gasmangellage nachrangig versorgt werden könnten. „Die deutsche und die europäische Rechtslage sehen vor, private Haushalte bis zum Ende zu schützen“, bekräftigte er. „Selbst im schlimmsten Szenario wird Deutschland weiter Gas bekommen aus Norwegen und von Terminals aus Belgien oder Holland, demnächst auch direkt von Terminals an der deutschen Küste.“ Dass gar kein Gas mehr bei den Menschen zu Hause ankommt, halte er für „nicht sehr wahrscheinlich“.
Seit Montag liefert Russland durch die wichtige Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern. Offen ist, ob anschließend wieder Gas fließen wird.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger macht sich daher große Sorgen um die deutsche Wirtschaft. „Es sieht so aus, als ob Russland das Gas stark verknappt oder auf Dauer gar nichts mehr liefert“, sagte Dulger der Süddeutschen Zeitung (Donnerstag). „Wir stehen vor der größten Krise, die das Land je hatte“. Ein Gaslieferstopp stelle die deutsche Wirtschaft vor ernste Probleme. Das bleibe nicht auf die Industrie beschränkt, sondern betreffe alle. „Wir müssen uns ehrlich machen und sagen: Wir werden den Wohlstand, den wir jahrelang hatten, erstmal verlieren“, sagte Dulger.
