Eine gute Nachricht für Fahrgäste des Nahverkehrs – und für solche, die es werden wollen. Das Neun-Euro-Monatsticket für den Nahverkehr soll zum 1. Juni eingeführt werden und für ganz Deutschland gelten. Das erfuhr die Berliner Zeitung am Montag aus Branchenkreisen, die mit dem Projekt befasst sind. Klar ist auch: Abonnenten und andere Stammkunden bekommen automatisch eine Kompensation. Damit werden Pläne für das vorgesehene Top-Angebot, über die wir bereits berichtet haben, immer konkreter.
Mit dem Sonderangebot wollen die Ampel-Koalition und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Bürgerinnen und Bürger von Zusatzkosten entlasten, die ihnen der russische Krieg in der Ukraine beschert hat. Die Entscheidung fiel in der Nacht, als SPD, Grüne und FDP über das Thema verhandelten. Sie kam überraschend und ziemlich kurzfristig, ohne dass die Nahverkehrsbranche konsultiert wurde. Nachdem sich dort viele Akteure überrumpelt fühlten, sieht man den Vorstoß inzwischen auch dort als Chance, mehr Menschen für den klimafreundlichen öffentlichen Verkehr zu gewinnen.
Gilt auch für die BVG und die S-Bahn Berlin
„Wir sind zum Erfolg verdammt. Und wir werden das Ticket zu einem Erfolg machen“, so ein Insider zur Berliner Zeitung. Es sei nur so, dass sich viele Beteiligte koordinieren müssen. Die Deutschlandkarte zeigt einen Flickenteppich von Verkehrsverbünden – und längst nicht immer sind die Verbundgebiete auch nur vergleichbar groß wie der VBB in Berlin und Brandenburg.
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Mitte dieser Woche sollen die wesentlichen Bestandteile des Angebots festgezurrt werden, erfuhr die Berliner Zeitung. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die auf 90 Tage befristete Offerte zum 1. Juni bundesweit eingeführt werden soll. Absehbar ist auch, dass das Ticket bundesweit in allen Verkehrsmitteln gelten soll, die dem Nahverkehr zugeordnet sind – in Berlin sind das unter anderem die Bahnen, Busse und Fähren der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Züge der S-Bahn Berlin GmbH sowie des Regionalverkehrs, etwa von DB Regio oder der Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG).
Gutschrift oder Erstattung für Abonnenten
Wie berichtet sollen die Neun-Euro-Monatstickets für ganz Deutschland gelten – in allen Nahverkehrsmitteln von den Alpen bis zur Nordsee, vom Rheinland bis in die Lausitz. Akteure warnen zwar, dass dies zumindest punktuell zu (zusätzlichen) Überlastungen von Regionalzügen ans Meer oder zu anderen touristisch interessanten Regionen führen könnte. Möglich sei auch, dass Fahrgäste vom Fernverkehr auf den Nahverkehr wechseln, ICE- und Intercity-Züge weniger Einnahmen verbuchen. „Doch wir brauchen eine handhabbare Lösung“, hieß es.
„Das Neun-Euro-Ticket muss bundesweit gültig sein“, bekräftigte der SPD-Verkehrsexperte im Bundestag, Martin Kröber. „Sonst benachteiligt es jene Pendlerinnen und Pendler, die über die Grenzen von Bundesländern und Tarifverbünden unterwegs sind“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Wegen des nötigen Gesetzgebungsprozesses sei der 1. Juni der frühestmögliche Zeitpunkt, so Kröber weiter. Am 18. oder 19. Mai soll der Bundestag laut Bericht über einen noch zu erarbeitenden Gesetzentwurf abstimmen, am 20. Mai der Bundesrat.
Unstrittig sei inzwischen, dass Zeitkarten-Abonnenten eine Gutschrift oder eine Erstattung für die Differenz zwischen ihrem Abopreis und dem Neun-Euro-Ticket bekommen, zitierten die Zeitungen aus dem Verkehrsausschuss weiter. Wie diese genau ausgezahlt wird, solle den Verkehrsunternehmen überlassen werden. Auch Inhaber von vergünstigten Semestertickets sollen profitieren. Kröber sagte dem RND: „Auch Studierende, die Semestertickets erworben haben, müssen in den Genuss der Rückerstattung kommen.“
Die Tickets sollen dem Bericht zufolge online, über die Navigator App der Deutschen Bahn und am Schalter erhältlich sein, voraussichtlich aber nicht am Automaten.
Droht den Regionalzügen von Berlin an die Ostsee im Sommer Überlastung?
Experten gehen davon aus, dass das neue Angebot den Druck auf die Branche erhöhen wird, überregional zu guten und einheitlichen Angeboten zu kommen. „Wenn Neukunden nach dem Auslaufen des Angebots damit konfrontiert werden, wie kostspielig Tickets sein können, die über Verbund- oder Landesgrenzen hinausreichen, besteht die Gefahr, dass viele wieder mit dem Auto fahren“, so ein Experte zur Berliner Zeitung.
