Nigeria: Entsetzen nach Schüssen auf Demonstranten

Auslöser der Proteste war ein Video, das die Tötung eines jungen Mannes zeigt durch den Beamten einer inzwischen aufgelösten Sondereinheit zeigt.

Protest in Lagos, der zweitgrößten Stadt Afrikas
Protest in Lagos, der zweitgrößten Stadt AfrikasAP/Sunday Alamba

Lagos-Schüsse auf Demonstranten bei Protesten gegen exzessive Polizeigewalt in der nigerianischen Großstadt Lagos haben weltweit Entsetzen und empörte Reaktionen ausgelöst. Die Proteste in Afrikas größter Volkswirtschaft gingen trotz einer Ausgangssperre am Mittwoch weiter. 

Sowohl die EU als auch die Vereinten Nationen und Augenzeugen in sozialen Medien berichteten übereinstimmend von Toten und Verletzten in Lagos. Der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaates, Babajide Sanwo-Olu, sprach dagegen von 25 Verletzten, bestritt aber Todesopfer. Präsident Muhamed Buhari rief zur Ruhe auf und stellte weitere Reformen bei der Polizei in Aussicht.

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Nach offiziell unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken hatten Einsatzkräfte am späten Dienstagabend das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Die Provinzregierung bestätigte nur eine Schießerei und kündigte eine Untersuchung an. „Amnesty International hat glaubwürdige, aber verstörende Hinweise auf exzessive Gewaltanwendung erhalten, die zum Tode von Demonstranten an der Lekki-Mautstelle in Lagos führten“, schrieb dagegen die Menschenrechtsorganisation auf Twitter zu dem Vorfall. Amnesty erinnerte die Behörden daran, dass die Anwendung tödlicher Gewalt durch die Sicherheitsbehörden nur in wenigen Extremfällen erlaubt sei.

Die Behörden hatten nach Krawallen vor einem Polizeirevier am Dienstag eine 24-stündige Ausgangssperre in der größten Stadt des westafrikanischen Staates und deren Umland verhängt. Demonstranten weigerten sich jedoch, eine Mautstelle zu verlassen und die Sperrstunde einzuhalten. Das Militär dementierte Berichte, wonach seine Soldaten an der Mautstelle waren.

Bekannte Politiker äußern sich

Die ehemalige US-Außenministerin Hilary Clinton und der frühere US-Vizepräsident Joe Biden äußerten sich besorgt und riefen ebenso wie UN-Generalsekretär António Guterres zu einem Ende der Gewalt gegen die Demonstranten auf. In einer Erklärung des Sprechers von Guterres heißt es: „Er verurteilt die gewalttätige Eskalation vom 20. Oktober in Lagos, die in zahlreichen Toten resultierte und viele Verletzungen verursachte.“

Den Angehörigen der Toten spreche er sein Beileid aus und wünsche den Verletzten baldige Genesung, so Guterres' Sprecher. Nigerias Regierung müsse umgehend nach Wegen zur Deeskalation der Lage suchen.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drückte in einer Erklärung den Angehörigen der Toten sein Beileid aus und teilte mit: „Es ist alarmierend, zu erfahren, dass mehrere Menschen getötet und verletzt wurden während der anhaltenden Proteste.“

Lage blieb zunächst unübersichtlich

Die Sängerin Rihanna schrieb auf Twitter, es sei unerträglich, das Geschehen in Nigeria zu beobachten. Sie fügte hinzu: „Es ist so ein Betrug an den Bürgern, dass dieselben Leute, die sie schützen sollen, nun diejenigen sind, vor denen wir uns am meisten fürchten müssen, ermordet zu werden.“

Die Lage in Lagos blieb auch am Mittwoch weiter unübersichtlich. Der Provinzgouverneur sprach von anhaltenden gewaltsamen Protesten, bei denen auch Feuer gelegt werde. In unbestätigten Berichten war von wütenden Jugendlichen die Rede, die Autos und Regierungsgebäude in Brand setzten. Ohrenzeugen berichteten auch über vereinzelte Schüsse.

Video von Tötung war Auslöser

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnte vor kurzem bereits, die Polizei reagieremit neuer Gewalt auf Demonstranten, die gegen Polizeigewalt auf die Straße gingen. Sie forderte am Mittwoch den sofortigen Abzug des Militärs von den Straßen und eine Bestrafung der Verantwortlichen.

Ausgelöst worden waren die Proteste durch ein Video, das einen Beamten der mittlerweile aufgelösten Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) beim Töten eines jungen Mannes zeigte und in den sozialen Medien die Runde machte. Unter dem Hashtag #EndSARS verbreiteten sich die Proteste schnell international und führten auch im Ausland zu Protestkundgebungen.