Wien-Karl-Heinz Grasser, früherer österreichischer Finanzminister (parteilos, bis 2003 FPÖ), ist vom Landgericht Wien zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde Untreue rund um die Privatisierung von Bundeswohnungen vorgeworfen.
Konkret ging es im Fall des 51-Jährigen darum, dass er 2004 beim Verkauf von 60.000 Wohnungen einem privaten Investor den entscheidenden Tipp über die notwendige Höhe eines Kaufpreises gegeben haben soll, um einen Mitbieter auszustechen. Im Gegenzug für den Hinweis sollen der Anklage zufolge rund 9,6 Millionen Euro – ein Prozent des Kaufpreises von 961 Millionen Euro – in die Taschen der Angeklagten geflossen sein. Grasser war von Anfang 2000 bis Anfang 2007 im Amt.
Überlange Verfahrensdauer
Das Verfahren gegen Grasser und 14 weitere Angeklagte dauerte insgesamt zehn Jahre: Auf sieben Jahre Ermittlungen folgten drei Jahre Prozess. Die lange Zeit des Verfahrens habe verhindert, dass der 51-Jährige seiner beruflichen Laufbahn nachkommen konnte, hieß es. Aus Umständen wie diesen zog der Gesetzgeber in Österreich Konsequenzen: Ermittlungen dürfen seit 2015 nur drei Jahre dauern. Ausnahmen sind nur bei schlüssigen Begründungen gestattet.
Laut des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind unverhältnismäßig lange Verfahren durch eine mildere Strafe zu kompensieren. Im Fall Grasser kann der Fall in eine nächste Instanz gehen und sich somit noch weiter in die Länge ziehen. Außerdem steht es den Angeklagten offen, nach der rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. Wenn ihnen dort Recht zugesprochen werden sollte, könnten sie so eine komplette Neuauflage des Strafprozesses herbeiführen.
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