Papst kritisiert Politik und fordert mehr Solidarität
In seiner mittlerweile dritten Enzyklika beschäftigt sich Franziskus vor allem mit Sozialthemen.

Vatikanstadt-Papst Franziskus hat in einer neuen Enzyklika die herrschende Politik in der Welt kritisiert und mehr Solidarität in der Gesellschaft gefordert. Sie trägt den Namen „Fratelli tutti: Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“. Eine Enzyklika ist ein päpstliches Rundschreiben, das eine Stellungnahme zu aktuellen Fragen enthält.
In seiner bisher dritten Enzyklika wendet sich das 83-jährige Kirchenoberhaupt gegen „wütende und aggressive Nationalismen“. Für ihre Unterzeichnung reiste der Argentinier am Sonnabend aus dem Vatikan in die Geburts- und Sterbestadt seines Namensgebers, des heiligen Franz von Assisi. Es war seine erste Reise seit dem offiziellen Beginn der Corona-Pandemie. Der Kirchenstaat hatte im März aus Vorsicht die Reisetätigkeit des Papstes gestoppt.
„Jahrzehntelang schien es, dass die Welt aus so vielen Kriegen und Katastrophen gelernt hätte und sich langsam auf verschiedene Formen der Integration hinbewegen würde“, heißt es darin. Doch nun sehe er Hinweise auf Rückschritte, so der Papst: „Unzeitgemäße Konflikte brechen aus, die man überwunden glaubte. Verbohrte, übertriebene, wütende und aggressive Nationalismen leben wieder auf.“
Als Ziel des Rundbriefs benannte Franziskus, er wolle „bei allen ein weltweites Streben nach Geschwisterlichkeit zum Leben erwecken“. Er forderte mehr Gerechtigkeit und Ethik in der Politik und unter den Menschen. Ausdrücklich nannte er Migranten und Ältere als Gruppen, die nicht benachteiligt werden dürften. Zwischen den Religionen müsse zudem mehr Dialog herrschen.
Der Papst verweist in der Enzyklika mehrfach auf ein Dokument von 2019 namens „Die Brüderlichkeit aller Menschen: Für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“, das er neu beleben wolle. Franziskus hatte es damals in Abu Dhabi zusammen mit dem Großimam von Kairo, Ahmed al-Tajib, unterzeichnet.
Corona sieht der Papst als globale Tragödie. Sie habe jedoch das Bewusstsein geweckt, dass die Welt „in einem Boot“ sitze. Er habe mit der Arbeit an seiner Enzyklika zwar bereits davor begonnen, doch die Pandemie mache manches deutlicher. In dem Papier räumt Franziskus ein, dass seine Kirche die Sklaverei zu spät verurteilt habe. Ihn betrübe, dass die Kirche „so lange gebraucht hat, bis sie mit Nachdruck die Sklaverei und verschiedene Formen der Gewalt verurteilte“, schreibt er.
Ursprünglicher Titel sorgte für Unmut bei Frauen
Vor der neuen Sozialenzyklika hatte der Papst in seinem Antrittsjahr 2013 ein Schreiben mit dem Titel „Lumen fidei: Licht des Glaubens“ veröffentlicht, 2015 erschien eine Umweltenzyklika namens „Laudato si: Über die Sorge für das gemeinsame Haus“.
Der Vatikan hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass die Schrift „Fratelli tutti“ im Oktober erscheinen solle. Damals war der Titel provisorisch als eine Ansprache an „Alle Brüder“ ins Deutsche übertragen worden. Das hatte für Unmut bei Frauen in der Kirche gesorgt. Nun bleibt der Titel auch in der deutschen Fassung Italienisch, darin ist außerdem oft von „Geschwisterlichkeit“, weniger von „Brüderlichkeit“ die Rede.