Krise in Israel: Parlament stimmt für Auflösung

Es handelte sich aber nur um eine vorläufige Abstimmung, für die endgültige Auflösung wären drei weitere Lesungen eines entsprechenden Gesetzes nötig.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Mitte)
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Mitte)dpa/Alex Kolomoisky

Jerusalem-Das Parlament in Israel hat für seine Auflösung gestimmt. Vertreter des an der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu beteiligten Mitte-Bündnisses Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz stimmten dabei mit der Opposition. 

Es handelte sich nur um eine vorläufige Abstimmung, für die endgültige Auflösung der Knesset wären drei weitere Lesungen des von der Opposition initiierten Gesetzes notwendig. Gantz sagte zu einem aktuell laufenden Streit um den Haushalt, nur die Billigung dieses Etats in drei Lesungen bis zum 23. Dezember könne eine Neuwahl verhindern. Bis zu dem Tag muss der Haushalt stehen, andernfalls löst sich die Knesset automatisch auf. Eine Neuwahl müsste dann 90 Tage später stattfinden.

Oppositionsführer: „Totales Scheitern“

Ein Scheitern der erst seit Mitte Mai bestehenden Koalition würde die vierte Parlamentswahl in zwei Jahren in Israel bedeuten. Gantz hatte das Abstimmungsverhalten seines Bündnisses am Dienstag angekündigt. Er machte dem Regierungschef schwere Vorwürfe: „Netanjahu hat nicht nur mich angelogen“, sagte Gantz vor Journalisten, „er hat euch alle angelogen.“ Netanjahu habe sein Versprechen gebrochen, den Haushalt wie vereinbart zu billigen.

Netanjahus einziges Interesse sei sein eigenes politisches Überleben. Er versuche alles, um eine Verurteilung in seinem Korruptionsprozess zu verhindern, so Gantz. Netanjahu rief zuletzt zu nationaler Einheit in der Corona-Krise auf. Medienberichten zufolge erwägt zwar auch er eine Neuwahl, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Netanjahu stand im Laufe der Corona-Pandemie stark in der Kritik.

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Oppositionsführer Jair Lapid warf der Koalition am Mittwoch in der Knesset ein totales Scheitern vor: „Die Regierung hat die Kontrolle über die Pandemie und das Land verloren.“ Die israelische Öffentlichkeit habe kein Vertrauen mehr in sie.

Große Koalition: Schon lange Streit

Die Arbeitslosigkeit in Israel lag zuletzt zeitweise bei mehr als 20 Prozent. Vorgeworfen wurden der Regierung Fehler und Versäumnisse, die einen zweiten landesweiten Lockdown nötig machten. Netanjahu steht aber auch wegen des gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses in der Kritik. Gantz lässt zudem U-Boot-Käufe prüfen, wegen der auch Netanjahu unter Druck geriet.

Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Regierung einen Etat für 2020 und 2021 verabschiedet. Netanjahu hatte diese Zusage aber zurückgezogen und wollte nur einen Haushalt für 2020. Der Regierungschef selbst nannte die außergewöhnlichen Umstände der Corona-Krise als Grund. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass er damit unter anderem verhindern wollte, dass Gantz wie bisher vereinbart im Herbst 2021 das Amt des Regierungschefs von ihm übernimmt.

Medienberichten zufolge soll der Premierminister Gantz zunächst auch nicht über seine Bemühungen zur Annäherung mit arabischen Staaten informiert haben. Eine Reise nach Saudi-Arabien soll Netanjahu ebenfalls vor Gantz geheim gehalten haben.