Nach „Partygate“: Johnson entschärft Ethik-Regeln für Minister

Die britische Regierung erwartet bei Verstößen gegen den „Ministerial Code“ nicht mehr zwingend einen Rücktritt. Eine Entschuldigung könne ausreichen.

Boris Johnson
Boris Johnsondpa/Tayfun Salci/ZUMA Press Wire

Nur wenige Tage nach scharfer Kritik an der britischen Regierung im „Partygate“-Untersuchungsbericht hat Premierminister Boris Johnson die Verhaltensvorgaben für sein Kabinett abgeschwächt. Von Regierungsmitgliedern, die den „Ministerial Code“ mit ethischen Richtlinien brechen, werde nicht mehr erwartet, dass sie automatisch zurücktreten oder entlassen werden, teilte die Regierung am Freitag in London mit. Es sei „unverhältnismäßig“, wenn sie wegen „geringfügiger“ Vergehen ihren Job verlieren müssten. Stattdessen könne der Premier eine Art öffentlicher Entschuldigung oder eine vorübergehende Aussetzung des Gehalts anordnen, hieß es.

Ausschuss prüft, ob Johnson das Parlament belogen hat

Der „Partygate“-Untersuchungsbericht gibt der politischen Führung um Johnson die Schuld an einer Feierkultur in der Downing Street, die illegale Lockdown-Partys geduldet habe. Johnson kündigte daraufhin an, er übernehme die volle Verantwortung. Allerdings trat er nicht zurück, sondern distanzierte sich von den Lockdown-Partys. Er habe davon nichts gewusst. Johnson hatte wegen seiner Teilnahme an einem Event eine Geldstrafe erhalten.

Demnächst wird ein Parlamentsausschuss prüfen, ob der Premier das Parlament in dem Skandal belogen hat. Wenn ein Regierungsmitglied lügt, muss es laut „Ministerial Code“ zurücktreten oder entlassen werden.

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Johnson zeigte sich überzeugt, dass er weiter breiten Rückhalt in der Tory-Partei habe. Mit „Partygate“ wollte sich der 57-Jährige nicht weiter aufhalten. Er habe alle Fragen bereits „ziemlich ausreichend und ausführlich“ beantwortet, sagte Johnson.

Zusätzlich blockierte Johnson die Möglichkeit, dass ein unabhängiger Ethik-Berater eigene Ermittlungen gegen den Premierminister aufnehmen kann. Dafür ist weiterhin die Zustimmung des Regierungschefs notwendig. „Um die Rechenschaftspflicht des Premierministers für das Verhalten der Exekutive widerzuspiegeln, ist es wichtig, dass der Premierminister bei Entscheidungen über Ermittlungen eine Rolle behält“, hieß es zur Begründung. Die Zeitung Daily Mirror kritisierte, Johnson verwässere den Ethikkodex.

„Partygate“: Rücktritt im Innenministerium wegen „vergifteter Kultur

Unterdessen hat ein Abgeordneter der Tory-Partei seinen Posten im Innenministerium gekündigt. Paul Holmes zeigte sich am Freitag „schockiert und verärgert“ über die Enthüllungen des Untersuchungsberichts und verurteilte „tiefes Misstrauen“ und die „vergiftete Kultur“ in der Regierung.

Holmes arbeitete bisher in der Rolle eines sogenannten Parlamentarischen Privatsekretärs als Assistent für Innenministerin Priti Patel. Der Skandal untergrabe seine Arbeit als Abgeordneter, teilte Holmes mit. „Es beunruhigt mich, dass diese Arbeit in Ihrem Namen von der giftigen Kultur getrübt wurde, die Nummer 10 zu durchdringen scheint.“ Allerdings forderte der 33-Jährige nicht Johnsons Rücktritt.

Sollten 54 der 359 Tory-Abgeordneten sich gegen den Premier aussprechen, käme es zu einem internen Misstrauensvotum. Derzeit sind es nach Zählung der Nachrichtenagentur PA 20 Abgeordnete.