Strafe wegen „Partygate“: Bleibt Boris Johnson im Amt?
Johnson hat das Gesetz gebrochen. Der britische Premier muss wegen der Partys im Regierungssitz eine Geldstrafe zahlen. Kann er sich dennoch im Amt halten?

Als strahlender Staatsmann ließ sich Boris Johnson für seinen Blitzbesuch in Kiew feiern, doch nur wenige Tage später haben den britischen Premierminister seine Altlasten krachend eingeholt. Wegen der „Partygate“-Affäre wird die Londoner Polizei gegen Johnson eine Geldstrafe verhängen, wie eine Regierungssprecherin am Dienstag sagte. Wie hoch die Strafe ausfällt oder ob es sich gar um mehrere Bescheide handelt, wurde zunächst nicht bekannt. Doch ist damit nun grundsätzlich klar, was viele ohnehin seit Monaten sagen: Der Premier hat das Gesetz gebrochen - und nicht nur das, er hat gegen die von ihm selbst erlassenen Corona-Regeln verstoßen. Damit ist Johnsons Position urplötzlich wieder ins Wanken geraten.
„Die Met hat zwei Raketen auf Downing Street abgefeuert“, kommentierte der Sender Sky News martialisch die Entscheidung der Londoner Metropolitan Police (Met). Außer Johnson und dessen Ehefrau Carrie Johnson wird auch Finanzminister Rishi Sunak, der in der Downing Street Nummer 11 residiert, eine Geldstrafe zahlen müssen.
Die Metropolitan Police untersucht zwölf Veranstaltungen aus den Jahren 2020 und 2021. Damals galten im Zuge der Pandemie strenge Kontaktbeschränkungen. Mehr als 100 Beschäftigten und Mitarbeitern der Regierung, auch Johnson und seiner Ehefrau, waren von der Polizei Fragebögen zugeschickt worden. Bisher wurden nach Polizeiangaben gut 50 Strafbescheide ausgestellt. In den meisten Fällen soll es sich um Geldstrafen von 50 Pfund (60 Euro) handeln.
Boris Johnson: Rücktrittsforderungen werden lauter
Nun erneuerte die Opposition ihre Rücktrittsforderungen. „Boris Johnson und Rishi Sunak haben das Gesetz gebrochen und das britische Volk wiederholt angelogen. Sie müssen beide zurücktreten“, twitterte Labour-Chef Keir Starmer. Noch schärfer äußerte sich sein Parteifreund David Lammy: „Kriminalität und Lügen im Herzen der Regierung“, schrieb der Spitzenpolitiker. Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte Johnsons Abschied.
„Dass gegen mehrere ranghohe Vertreter der Regierung gleichzeitig Strafgelder verhängt werden, ist völlig beispiellos“, sagte die Innenpolitik-Expertin Jill Rutter von der Denkfabrik Institute for Government der BBC. Der Autor und Politologe Mark Garnett sagte der Deutschen Presse-Agentur, nun hätten Johnsons Kritiker alle Beweise gegen ihn in der Hand. Doch: „Johnson hat immer deutlich gemacht, dass er nicht leise abtreten wird, und er wird den Krieg in der Ukraine als zusätzlichen Grund für seinen Verbleib im Amt nutzen.“ Theoretisch könnte Johnson den Strafbescheid sogar anfechten. Doch fraglich ist, ob ein Gerichtstermin sein Ansehen verbessern würde.
„Sie haben uns alle für dumm verkauft“
Die Empörung bei denen, die Familienmitglieder und Freunde wegen Corona verloren haben, ist bereits immens. „Sie haben das Gesetz gebrochen. Aber noch schlimmer, sie haben uns alle für dumm verkauft“, sagte Lobby Akinnola, ein Vertreter der Organisation Covid Bereaved Families. Es sei „unglaublich schmerzhaft“ zu wissen, dass die Mächtigen Partys gefeiert hätten, während sie selbst sich nicht von ihren geliebten Menschen hätten verabschieden können.
„Ernste Fragen für Nummer 10, Nummer 11 und die Konservativen“, kommentierte die BBC-Reporterin Laura Kuenssberg. Vor allem die Tories stehen nun vor einer kniffligen Entscheidung - wenige Wochen vor Kommunalwahlen in England, die als wichtiger Stimmungstest gelten.
Als im Winter ständig neue „Partygate“-Skandale ans Licht kamen, schien Johnsons Abschied nur noch eine Frage der Zeit. Ein erstes Gutachten der ranghohen Beamtin Sue Gray attestierte Downing Street Führungsversagen und schwere Regelverstöße. Fast täglich entsagten Tory-Abgeordnete dem Premier ihre Zustimmung - 54 Stimmen reichen für ein parteiinternes Misstrauensvotum. Doch mit dem Ukraine-Krieg änderte sich die Lage komplett. Selbst schärfste innerparteiliche Kritiker stellten sich nun wieder hinter Johnson.
Die Frage ist daher nun: Wie halten die Tories es mit ihrem Premier? Werden sie den 57-Jährigen stürzen, weil er im Amt eine Straftat begangen haben? Oder halten sie an dem Londoner Ex-Bürgermeister und Ex-Außenminister dennoch fest, weil er der einzige ist, der als volksnaher Politiker die Wähler mitreißen kann? Schon früher hat Johnson belogen und betrogen, seine Zeit in der Downing Street ist seit seinem Amtsantritt im Sommer 2019 von Skandalen gepflastert, und dennoch hat die Partei sich nie distanziert.
„Die einzige Gewissheit ist, dass die Konservative Partei vermutlich schwere Verluste in den Kommunalwahlen nächsten Monat erleiden wird“, sagte Experte Garnett. „Die Führungsfrage wird die Partei weiter beschädigen, bis Mr. Johnson entweder zum Rücktritt überredet wird oder zu einem Misstrauensvotum gezwungen wird.“ Andere Analysten sind da skeptischer. „Boris Johnson hatte mehr Leben einer Katze als jeder Politiker, den ich kenne“, sagte der Politologe Matthew Flinders von der Universität Sheffield jüngst im Gespräch mit der dpa. Es wäre keine Überraschung, wenn Johnson auch diesen Fall überlebt.
