Mysteriöser Ballon: Pentagon erneuert Spionage-Vorwurf, China „bedauert“ Vorfall

Ein rätselhafter Ballon ist in den Luftraum der USA eingedrungen. Nach Spionagevorwürfen sagte der US-Außenminister den geplanten Peking-Besuch ab. Die Lage spitzt sich zu. 

Ein Höhenballon schwebt über Billings im Bundesstaat Montana. 
Ein Höhenballon schwebt über Billings im Bundesstaat Montana. Larry Mayer/The Billings Gazette/AP

Ein chinesischer Ballon ist nach Pentagon-Angaben in den Luftraum der USA eingedrungen. Das Flugobjekt könnte unter anderem verwendet werden, um hochsensible Atomwaffen-Stützpunkte auszukundschaften. China widerspricht den Spionage-Vorwürfen. Nun verschiebt US-Außenminister Antony Blinken seine Reise nach Peking. 

Der Ballon werde intensiv beobachtet, teilte am Donnerstag (Ortszeit) ein hochrangiger Beamter des US-Verteidigungsministeriums mit. Ein möglicher Abschuss sei verworfen worden, weil dies womöglich zu viele Menschen gefährdet hätte. Die Gefahr, ausspioniert zu werden, sei relativ gering.

Spionage aus Fernost? China widerspricht den Vorwürfen

China bestritt derweil Angaben der USA, dass es sich bei dem Ballon im Luftraum über den Vereinigten Staaten um einen Spionage-Ballon handelte. Es sei vielmehr um ein „ziviles“ Luftschiff für Forschungszwecke vor allem meteorologischer Art, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag in Peking. Wegen beschränkter eigener Steuerungsfähigkeit sei der Ballon durch starke Westwinde „weit von seinem geplanten Kurs abgekommen“. Der Sprecher fügte hinzu: „China bedauert den unerwarteten Eintritt in den Luftraum der USA durch höhere Gewalt.“ China werde weiter mit den USA kommunizieren und angemessen mit dieser „unerwarteten Situation“ umgehen.

Pentagon widerspricht Peking: Ballon im US-Luftraum dient Überwachung

Die US-Regierung erneuerte am Abend ihre Spionagevorwürfen gegen Peking. „Wir wissen, dass es ein Überwachungsballon ist“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, in Washington. Er könne keine Angaben zu Details machen, betonte Ryder, machte aber klar, dass das Pentagon nach wie vor zu seiner Einschätzung des Vorfalls stehe. Der Ballon sei auch sehr wohl manövrierfähig. Man gehe davon aus, dass dieser noch mehrere Tage über das Territorium der USA fliegen werde.

US-Außenminister verschiebt nach Ballon-Vorfall geplante China-Reise

Der Vorfall ereignete sich nur wenige Tage vor einer geplanten Reise von US-Außenminister Antony Blinken nach China, die nun abgesagt wurde. Auch deshalb hat er besondere Brisanz im ohnehin angespannten Verhältnis beider Länder.

Außenminister Blinken wollte am Sonntag für zwei Tage zu Gesprächen nach Peking reisen. Nach Angaben der New York Times wollte er auch Staatschef Xi Jinping treffen. Die US-Regierung hatte die Reisepläne an sich bestätigt, aber keine Details zum Programm genannt. Es wäre die erste Visite eines US-Außenministers seit Oktober 2018 gewesen. 

Die Beziehungen zwischen den USA und China sind schwer angespannt. Streitpunkte sind Chinas Rückendeckung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, die chinesischen Drohungen gegen Taiwan, die umstrittenen Ansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, der Handelskrieg und amerikanische Exportkontrollen für Hochtechnologie. China wiederum wirft den USA vor, seinen Aufstieg eindämmen zu wollen und einen neuen Kalten Krieg zu verfolgen. Die Irritationen rund um den mysteriösen Ballon kommen nun noch hinzu.

Spionage-Streit: UN warnen vor mehr Spannungen zwischen USA und China

Angesichts von Spionagevorwürfen der USA gegen China warnen die Vereinten Nationen vor weiter steigenden Spannungen zwischen den Großmächten. „Wir würden eine solche Situation nicht wollen, in der die Spannungen zwischen Washington und Peking zunehmen“, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Freitag in New York. Angesichts der globalen Führungsposition beider Länder obliege es ihnen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Situation zu lösen. Die Vereinten Nationen hätten dabei aber keine eigenen Informationen über den Vorfall.

Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und China werden durch neue Verstimmungen belastet: Das US-Militär wirft Peking vor, einen großen Spionageballon über dem Norden der Vereinigten Staaten platziert zu haben. Das US-Verteidigungsministerium machte die Entdeckung am Donnerstagabend (Ortszeit) publik. Demnach gab es auch Erwägungen, den Ballon abzuschießen. Peking gab nach Zögern zu, dass es sich um ein chinesisches Flugobjekt handele, das aber lediglich wissenschaftlichen Zwecken diene und versehentlich von seiner Flugbahn abgekommen sei.

Kanada und USA verfolgen Ballon gemeinsam

Kanada arbeitete eigenen Angaben zufolge zusammen mit den USA an der Verfolgung eines in großer Höhe fliegenden Beobachtungsgsballons und überprüft zudem einen „möglichen zweiten Vorfall“. Der Ballon sei bemerkt worden und „seine Bewegungen werden aktiv verfolgt“, erklärte das Verteidigungsministerium. Es werde alles getan, um die Sicherheit des kanadischen Luftraums zu gewährleisten, „einschließlich der Überprüfung eines möglichen zweiten Vorfalls“, hieß es weiter.

Pentagon: Ballon fliegt in großer Höhe

Der „relativ große“ Ballon sei bereits vor einigen Tagen in den US-Luftraum eingedrungen und fliege in großer Höhe über den Nordwesten der USA, sagte der Beamte, der anonym bleiben wollte. Schon zuvor sei sein Weg vom US-Militär verfolgt worden. „Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage und sein aktueller Weg führt ihn über sensible Stützpunkte“, sagte der Pentagon-Vertreter. Darunter seien Luftwaffen-Stützpunkte und unterirdische Raketen-Standorte.

„Wir haben keinen Zweifel, dass der Ballon aus China kommt“, hieß es weiter. „Wir ergreifen Maßnahmen, um uns gegen das Sammeln von sensiblen Informationen zu schützen.“ Allerdings sei die Gefahr nach Einschätzung des Pentagon nicht besonders groß. „Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Ballon aus Spionage-Sicht nur eingeschränkte Fähigkeiten hat.“

Kampfjets fliegen zum Ballon: Keine militärische Gefahr für Menschen

US-Präsident Joe Biden ordnete nach Entdeckung des Ballons den Angaben zufolge an, einen möglichen Abschuss zu prüfen. Verteidigungsminister Lloyd Austin und Spitzenkräfte des Militärs hätten sich letztlich dagegen entschieden, weil bei einem Abschuss durch die herunterfallenden Teile zu viele Menschen am Boden gefährdet werden könnten. „Er ist unserer Einschätzung nach so groß, dass seine Trümmer Schäden anrichten könnten.“ Kampfjets flogen den Angaben zufolge über dem US-Bundesstaat Montana in die Nähe des Ballons, um diesen einschätzen zu können.

Pentagon-Sprecher Pat Ryder bestätigte später, dass der Ballon noch immer über US-Boden unterwegs sei. Er fliege „deutlich über der Höhe des Luftverkehrs“ und stelle „keine militärische oder physische Gefahr für die Menschen am Boden dar“.