Pharmaindustrie: Solidarabgabe für Krankenkassen verfassungswidrig

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fordert von den Arzneimittelherstellern einen Beitrag zur Stabilisierung der Krankenkassen. Doch die wehren sich nun.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will einen „Solidarbeitrag“ von der Pharmaindustrie. Doch die Idee kommt bei den Arzneimittelherstellern gar nicht gut an.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will einen „Solidarbeitrag“ von der Pharmaindustrie. Doch die Idee kommt bei den Arzneimittelherstellern gar nicht gut an.dpa/Fabian Sommer

Die Pharmaindustrie sieht die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Solidarabgabe zur Stabilisierung der Krankenkassen im Konflikt mit dem Grundgesetz. Der Präsident des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, Han Steutel, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch), außerhalb des Steuerrechts seien dem Staat durch das Bundesverfassungsgericht zu Recht enge Grenzen aufgelegt, Sonderabgaben zu erheben.

Das gelte auch für die als „Solidarbeitrag“ bezeichnete Sanierungshilfe der Pharmaindustrie für die gesetzlichen Krankenkassen. „Ich sehe noch nicht, wie der Staat die Kriterien der Rechtsprechung dabei erfüllen will“, betonte Steutel.

Der Verband argumentiert in einer dem RND vorliegenden Stellungnahme unter anderem, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse eine Sonderabgabe den Zahlenden selbst nützen. Das wäre etwa der Fall, wenn mit den Mitteln Pharmaunternehmen gefördert würden. Zweck der Abgabe sei es aber, den Anstieg der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung zu begrenzen. Das sei ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.

Die dramatische Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung könnte laut der Vorsitzenden des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, eine noch stärkere Beitragserhöhung im kommenden Jahr nötig machen als von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant.

Schon jetzt würden sich höhere Energiepreise und die Inflation im Gesundheitssystem bemerkbar machen. „Dann würde das Defizit noch größer ausfallen – und die 0,3 Prozentpunkte auch nicht mehr ausreichen“, gab die AOK-Chefin zu bedenken. „Die Beiträge müssten dann im kommenden Jahr noch stärker steigen als von Lauterbach geplant, trotz aller Maßnahmen.“

AOK-Chefin: Bei einer Rezession stürzt das System in eine „historische Krise“

Rutsche Deutschland in eine Rezession, würde dies auch das Kassensystem in eine „historische Krise“ stürzen, warnte Reimann weiter. Darauf sie „niemand vorbereitet“. Zum Problem würde dann, dass die Kassen nach Plänen des Gesundheitsministers auch weitere Reserven abführen müssen. Dies schränke „die Zahlungsfähigkeit der Kassen weiter ein und verhindert Investitionen in eine bessere Gesundheitsversorgung“, sagte Reimann. Außerdem könne es dazu führen, „dass Kassen in ernste Schwierigkeiten geraten und sogar Insolvenz anmelden müssen“.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach plant von der Branche 2023 eine Milliarde Euro als Solidarabgabe ein. Sie soll dazu beitragen, ein Defizit von 17 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung zu decken. Auf gesetzlich Versicherte kommen zudem erhöhte Zusatzbeiträge zu. Geplant sind zudem ein erhöhter Steuerzuschuss sowie die Nutzung von Reserven bei den Krankenkassen und im Gesundheitsfonds.