Polizei lässt getöteten Teenager selbst um Hinweise bitten
Sedar Soares wurde vor fast 20 Jahren erschossen. Nun erweckt die Polizei in Rotterdam ihn in einem Deepfake-Video scheinbar wieder zum Leben.

Die niederländische Polizei hat einen getöteten Teenager fast 20 Jahre nach der Tat in einem Video digital zum Leben erweckt - und danach dutzende Hinweise erhalten. Die Polizei teilte am Montag mit, die Ermittlungsmethode sei eine „Weltpremiere“. Die große Zahl an Hinweisen sei „sehr positiv“, erklärte eine Sprecherin der Polizei von Rotterdam. Wie hilfreich die Hinweise seien, müsse aber noch überprüft werden.
In dem sogenannten Deepfake-Video ist der 2003 in Rotterdam getötete Sedar Soares zu sehen, der damals 13 Jahre alt war. Er blickt erst in die Kamera, hebt dann einen Fußball auf - und geht an einem Spalier aus seiner Familie, ehemaligen Klassenkameraden, Lehrern und Mitspielern seiner Fußballmannschaft vorbei. Manche von ihnen berühren den digital wiederbelebten Sedar sogar an der Schulter.
„Er wollte Profifußballer werden“, sagt seine Schwester Janet in dem Film. „Der Traum ist weg. Denn Sedar lebt nicht mehr.“ Um endlich die Wahrheit zu erfahren, sei er „speziell für diesen Film zum Leben erweckt worden“. Und dann scheint der Junge gemeinsam mit seiner Schwester an die Zuschauer zu appellieren: „Weißt du mehr? Dann sprich jetzt.“ Danach verschwindet Sedar und die Kontaktdaten der Polizei sind zu sehen.
Das Video sei gemeinsam mit der Familie entwickelt worden, sagt der Polizei-Experte Daan Annegarn. „Wir sind davon überzeugt, dass es auch im kriminellen Umfeld Menschen berühren kann. Dass Zeugen und vielleicht der Täter sich melden werden.“
Es gab nur ein Foto von Sedar Soares kurz vor seinem Tod
Mittels der Deepfake-Technik ist es möglich, die Gesichter echter Menschen nachträglich auf realistische Weise in Fotos oder Filme einzufügen - und sie Wörter sagen zu lassen, die sie gar nicht gesagt haben. „Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die das wirklich gut können“, sagt Daan. „Wir haben einen der besten Deepfake-Hersteller der Welt engagiert. Es war eine Herausforderung, weil wir nur ein Foto von Sedar hatten, das kurz vor seinem Tod aufgenommen wurde.“

Sedar Soares war im Februar 2003 erschossen worden, als er sich mit Freunden eine Schneeballschlacht auf einem Parkplatz in Rotterdam lieferte. Laut dem Fernsehsender NOS war die Polizei zunächst überzeugt, der Teenager sei erschossen worden, weil er Schneebälle auf ein Fahrzeug geworfen hatte.
Inzwischen nehmen die Ermittler nach eigenen Angaben an, Soares sei „zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“. Er sei das unbeteiligte Opfer eines Raubüberfalls einer Verbrecherbande auf eine andere Bande geworden. Die Polizei hofft nun, dass sich Mitwisser des Überfalls melden - oder Augenzeugen, die bisher geschwiegen haben.
