Judenhass bei Demo in Berlin: Teilnehmer rufen „Drecksjude“

In Berlin-Neukölln kam es bei Anti-Israel-Demos an zwei Tagen in Folge zu schweren Ausschreitungen und offenem Antisemitismus. Die Polizei zieht eine erste Bilanz.

Eine palästinensische Fahne (Symbolbild).
Eine palästinensische Fahne (Symbolbild).dpa/Boris Roessler

Bei einer antiisraelischen Demo ist es Samstagabend in Berlin-Neukölln zu schweren Ausschreitungen und judenfeindlichen Rufen gekommen. 160 Polizisten waren im Einsatz. Steine wurden geworfen, Journalisten wurden angegriffen und zum Teil verletzt. Es gab zwei Festnahmen, wie die Polizei mitteilt. Auf Videos, die im Netz kursieren, ist deutlich zu hören, wie mindestens ein Teilnehmer „Drecksjude“ brüllt. Die Beleidigung galt offenbar Journalisten, die über die Demo berichten wollten. „Uns sind antisemitische und volksverhetzende Anfeindungen bekannt. Wir ermitteln. Es wurden Anzeigen geschrieben“, sagte ein Polizei-Sprecher der Berliner Zeitung.  Die Ermittler werten jetzt Videomaterial aus. Schon am Freitagabend gab es bei einer ähnlichen propalästinensischen Kundgebung Ausschreitungen. Nach den Anti-Israel-Demos kommen entsetzte Reaktionen aus ganz Deutschland.

Am Sonntag veröffentlichte die Polizei eine erste Bilanz: Demnach begann am Samstag 16 Uhr die Versammlung mit 400 Menschen auf dem Oranienplatz. Nach einer Auftaktkundgebung setzte sich der Aufzug in Bewegung. Im vorderen Drittel liefen zu dem Zeitpunkt etwa 40 Jugendliche und Heranwachsende, von denen eine aggressive Stimmung ausging.

Während einer Zwischenkundgebung auf der Kottbusser Brücke sollen zwei Journalisten, die zu diesem Zeitpunkt Aufnahmen von der Demonstration gefertigt hatten, von den Teilnehmern angefeindet worden sein. Polzisten haben die Pressevertreter zu deren Schutz in die seitliche Begleitung aufgenommen. Diese begaben sich im weiteren Verlauf erneut in den Aufzug. Kurz darauf entbrannte ein neuerlicher Konflikt, in dessen Zuge die Pressevertreter aggressiv angegangen wurden. Der Versammlungsleiter schloss die beiden Personen von der Versammlung aus. Das steht ihm rechtlich zu. Neben Schutzmaßnahmen für die beiden Journalisten wurden entsprechende Konfliktsituationen durch Einsatzkräfte per Video festgehalten.

Gegen 17.50 Uhr wurde ein Journalist von einem derzeit unbekannten Demonstranten attackiert, dem es anschließend gelang, vor den Einsatzkräften in den Aufzug zu flüchten. Auch hierzu liegen Videoaufnahmen vor.

Am Endplatz haben Demo-Teilnehmer einen Journalisten bedrängt, der auf die Unterstützung von Polizisten zurückgriff und von ihnen aus der Versammlung geführt wurde. Hierbei warfen Unbekannte Plakate und Holzstangen auf die Polizistinnen und Polizisten, die unverletzt blieben. Darüber hinaus ist der Polizei Berlin eine Videosequenz bekannt geworden, in der Versammlungsteilnehmende den Medienvertreter antisemitisch beleidigten. Auch hierzu wurde ein Strafermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.

Während der Abschlusskundgebung kam es zudem zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Versammlungsteilnehmenden. Einsatzkräfte nahmen hierzu einen Tatverdächtigen noch vor Ort fest, einen zweiten im Anschluss der Demonstration. Die Demo war um 18.15 beendet. Die Polizei Berlin leitete Strafermittlungsverfahren unter anderem wegen besonders schweren Landfriedenbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung ein.

Das passierte auf der Demo am Freitag

Bereits am Freitagabend gab es eine antiisraelische Demo, ebenfalls in Berlin-Neukölln, bei der die Situation beinahe eskalierte. Zwei Polzisten wurden dabei verletzt. Doch von vorn: 300 äußerst emotionale Demonstranten fanden sich laut Polizei Freitagabend am Rathaus Neukölln für den Aufzug „Protest Demonstration gegen die israelische Aggression in Jerusalem“ ein. Die Wirkung einer hohen Präsenz der Polizei musste hier schon zur Beruhigung der Menge, aus der heraus teilweise Pyrotechnik abgebrannt wurde, beitragen.

Kurz bevor der Aufzug sich dann gegen 16.50 Uhr nach Redebeiträgen mit rund 500 Teilnehmern in Bewegung setzte, musste die Polizei dafür sorgen, dass vereinzelte angelegte Vermummungen mit sogenannten Palästinensertüchern wieder abgenommen wurden. Im weiteren Verlauf des Aufzuges, der auf über 750 Teilnehmer anwuchs, wurde neben anderer Pyrotechnik dann auch ein Nebeltopf gezündet.

Immer wieder Angriffe auf Polizisten schon am Freitag

Gegen 17.30 Uhr wurde in der Sonnenallee in Höhe der Tellstraße ein Polizist durch einen geworfenen Pflasterstein an einer Hand verletzt. Der Tatverdächtige dazu konnte anschließend unerkannt in der Menge untertauchen. Wenig später wurde wieder Pyrotechnik abgebrannt und rund 50 Teilnehmer vermummten sich mit sogenannten Palästinensertüchern. Es kam zu Stein- und Pyrotechnikwürfen, wobei ein Fahrzeug der Technischen Einsatzbereitschaft mit einem Pflasterstein getroffen wurde. Der Versuch, einen Polizisten mit einem angezündeten Böller zu treffen, schlug fehl. Kurz nach Erreichen des Endplatzes nahmen Einsatzkräfte am Rathaus Neukölln einen Vermummten fest. Nachdem die Versammlung gegen 18.15 Uhr als beendet erklärt worden war, kam es aus Kleinstgruppen heraus zu weiteren Steinwürfen gegen Eisatzkräfte, bei denen ein Polizeiobermeister am Bein verletzt wurde.

Beide verletzten Polizisten konnten auch ohne ärztliche Behandlung ihren Dienst weiterversehen. Strafanzeigen waren die Folgen. Rund 200 Einsatzkräfte waren am Freitag im Einsatz. In angrenzenden Bereichen der ehemaligen Aufzugsstrecke kam es dann gegen 23.30 Uhr zu einem Beschuss eines zivilen Einsatzfahrzeuges mit einem pyrotechnischen Gegenstand. Das Fahrzeug wurde nicht getroffen, das Zivilfahndungsteam darin blieb unverletzt. Eine Gruppe von rund 20 Jugendlichen, aus deren Richtung der Beschuss durch die Kräfte wahrgenommen wurde, entkam unerkannt im Von-der-Schulenburg-Park.