Encrochat: Polizei Berlin ermittelt in 728 Fällen

Der Messengerdienst Encrochat ist bei Kriminellen beliebt, weil er kaum zu entschlüsseln ist. Gelingt die Entschlüsselung, werden Kriminelle enttarnt.

Einem Mitglied eines bekannten Clans, im Zusammenhang mit der Entschlüsselung von Encrochat-Daten, in  einem Berliner Gerichtsgebäude.  
Einem Mitglied eines bekannten Clans, im Zusammenhang mit der Entschlüsselung von Encrochat-Daten, in einem Berliner Gerichtsgebäude. dpa/Annette Riedl

Berlin-Im Zusammenhang mit dem von der Polizei entschlüsselten Encrochat-Messengerdienst laufen in Berlin inzwischen 728 Ermittlungsverfahren gegen Verdächtige aus der kriminellen Szene. Diesen Stand vom 18. November teilte der Senat in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage mit. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin sind demnach bereits 138 Verfahren zum Thema Encrochat anhängig.

21 Verdächtige aus 15 Ermittlungskomplexen sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Es gab 55 Durchsuchungen, 31 Haftbefehle gegen mutmaßliche Kriminelle wurden vollstreckt. Meistens geht es bei den Ermittlungen um den Verdacht des Drogenhandels, oft auch um Handel mit Waffen oder Kriegswaffen wie Maschinenpistolen, außerdem um Geldwäsche. 649.700 Euro wurde vorläufig von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Die Berliner Polizei wertet 1,64 Millionen Datensätze aus Textnachrichten, Sprachnachrichten, Fotos und Videos von den entschlüsselten und abgehörten Handys aus.

Nach der Enttarnung: Berliner Justiz muss Personal aufstocken

Die Kryptierungssoftware Encrochat galt zunächst als nicht entschlüsselbar und war deshalb bei Kriminellen sehr beliebt. Die Polizei in den Niederlanden und Frankreich knackte im Frühjahr 2020 die Software und schöpfte einige Monate lang Millionen geheimer Daten ab. In ganz Deutschland soll es laut Polizei rund 4600 Encrochat-Nutzer gegeben haben, in Berlin waren es mehr als 700.

Die Berliner Justiz musste wegen der vielen Informationen über die enttarnten Kriminellen bei Staatsanwaltschaften und am Landgericht eigens Personal und Strukturen aufstocken. Erste Prozesse wegen Drogen- und Waffenhandels laufen bereits. Die Polizei betonte kürzlich, angesichts der modernen Kommunikationstechniken der organisierten Kriminalität hinke die Kriminalpolizei technisch oft hinterher.