Needle-Spiking und K.o.-Tropfen: Polizei Berlin gibt neue Zahlen bekannt

In diesem Jahr wurden sieben Fälle in Berlin erfasst. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein. FDP-Politiker kritisiert, dass der Berliner Senat hier scheinbar „ahnungslos“ ist.

Gemeinsames Feiern kann gefährlich werden, wenn Täter aus dem Bekanntenkreis oder fremde Kriminelle Chemikalien nutzen, um Opfer wehrlos zu machen.
Gemeinsames Feiern kann gefährlich werden, wenn Täter aus dem Bekanntenkreis oder fremde Kriminelle Chemikalien nutzen, um Opfer wehrlos zu machen.dpa/Jens Kalaene

Es geschieht in Berliner Clubs, in Bars oder auf Partys: Jemand schüttet seinem Opfer Rohypnol oder Liquid Ecstasy in Form von K.o.-Tropfen ins Getränk. Später wird das Opfer ausgeraubt oder vergewaltigt. Der Polizei Berlin sind 22 Fälle aus dem Jahr 2021 bekannt, in denen die Täter K.o.-Tropfen benutzten. Ermittelt wurde gegen acht Tatverdächtige. Verurteilt wurde noch niemand. Grund: Die Erinnerung der Opfer ist meist sehr lückenhaft, die Beweisführung vor Gericht schwierig. Nach Angaben von Ermittlern wird nur ein kleiner Teil der Taten überhaupt zur Anzeige gebracht.

In diesem Jahr wurden von der Polizei Berlin von Januar bis Mai sieben Fälle erfasst. Gegen einen Tatverdächtigen gibt es Ermittlungen, Verurteilungen noch nicht. Das gab die Senatsinnenverwaltung nach einer parlamentarischen Anfrage unter Berufung auf die Polizei bekannt. In der Antwort auf die Anfrage heißt es: „Im POLIKS ist als Tatmittel ‚KO-Wirkstoff‘ anstelle von ‚K.O.-Tropfen‘ hinterlegt. Weitere spezifische Substanzen (GHB, Ketamin, Rohypnol (als Katalogwert bis 2017 enthalten)), die in POLIKS hinterlegt sind, wurden in die Auswertung einbezogen.“ Dabei handelt es sich in der Statistik nur um die polizeibekannten Fälle, die zur Anzeige kommen. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

K.o.-Tropfen in Berlin: Polizei registrierte mehr Fälle vor Corona

Bei der Statistik  fällt auf, dass die Zahlen vor der Corona-Pandemie deutlich höher waren. 2019 sind 71 Fälle, in denen K.o.-Tropfen eingesetzt wurden, bekannt geworden. Gegen 19 Tatverdächtige wurde ermittelt. Einer wurde zu einer Gefängnisstrafe mit Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt.

Für das Jahr 2018 spricht die Polizei von 43 K.o.-Tropfen-Fällen. Gegen 13 Personen wurde ermittelt. Verurteilt wurde niemand. Ganz anders im Jahr 2017: 57 Straftaten sind den Ermittlern hier bekannt. Die Polizei ermittelte gegen 14 Personen, von denen drei zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Ein Verurteilter bekam ein Jahr und einen Monat ohne Bewährung sowie eine Geldstrafe, ein anderer Täter sieben Monate. Der dritte Verurteilte erhielt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

In der Antwort der Senatsinnenverwaltung heißt es dazu weiter: „Die Motivation tatverdächtiger Personen kann vielfältig sein. Typische ‚K.O.-Tropfen‘-Delikte sind Raubtaten mit dem Ziel der Erlangung von Vermögenswerten und Sexualdelikte mit einer entsprechenden sexuellen Motivation.“

Die jüngsten Berichte von Spritzenattacken („Needle-Spiking“) in Clubs hat der Berliner Senat zwar zur Kenntnis genommen, genaue Zahlen dazu gibt es aber noch nicht. Offen ist auch, wie schlecht es den Opfern nach den Attacken ging und welchen Schaden sie genommen haben. Der Senat teilt dazu lediglich mit: „Es sind keine Fälle bekannt, bei denen durch ‚Needle-Spiking‘ oder das Verabreichen von ‚K.O.-Tropfen‘ eine schwere Erkrankung oder der Tod einer oder eines Geschädigten verursacht wurde.“

Und weiter: „Beim ‚Needle-Spiking‘ handelt es sich um ein recht neues Phänomen, zu welchem noch nicht ausreichend Erkenntnisse vorliegen, um hinsichtlich der Motivation tatverdächtiger Personen Schwerpunkte benennen zu können.“ Man plane aber, die bekannten Präventions- und Schutzmaßnahmen auszubauen.

FDP: Behörden sind beim Thema K.o.-Tropfen und Spritzen-Attacken noch ahnungslos

Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, stellte die Anfrage beim Senat. Kluckert ist über die Unwissenheit des Senats schockiert.

Der Berliner Zeitung sagte er: „Die Attacken auf Menschen durch Needle-Spiking sind bereits in mehreren europäischen Ländern aufgetreten. In Berlin sind diese tückischen Angriffe mit K.o.-Tropfen seit 2017 in der Club-Szene bekannt und belaufen sich auf über 200 Vorfälle, vermutlich ist die Dunkelziffer noch wesentlich höher. Es macht jedoch den Anschein, dass der Berliner Senat hier ahnungslos ist und sich diesem Phänomen noch nicht ausreichend angenommen hat.“