Rigaer 94: Gericht schlägt im Prozess um Kneipe Kadterschmiede Vergleich vor

Der Besitzer des Hauses in Berlin, das von Autonomen teilbesetzt ist, verlangt seit Jahren die Räumung. Nun hat das Landgericht einen Vorschlag unterbreitet.

Der rechtliche Streit um die Räumung der „Kadterschmiede“ in Berlin-Friedrichshain läuft seit Jahren.
Der rechtliche Streit um die Räumung der „Kadterschmiede“ in Berlin-Friedrichshain läuft seit Jahren.dpa/Paul Zinken

Es ist ein scheinbar endloser Rechtsstreit – die Räumungsklagen des Eigentümers des Hauses in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain gegen die dort ansässige linksautonome Kneipe „Kadterschmiede“. Und das Verfahren vor der 59. Zivilkammer des Berliner Landgerichts drohte am Montag wieder zu einem dieser Prozesse zu werden, der ausgehen würde wie das Hornberger Schießen. Doch dann, nach einstündiger Verhandlungsdauer, als auch diesmal alle Fronten verhärtet schienen, gab es einen Hoffnungsschimmer. Wird dieser jahrelange Rechtsstreit um das teilbesetzte Haus endlich beigelegt, die Lage in der Rigaer Straße befriedet werden können? Auf ganz simple Art und Weise.

Es war nach der Pause, als die Beisitzende Richterin Christiane Lange-Granert am Montagvormittag das Wort ergriff und beiden Parteien einen Vergleich vorschlug. Verschiedene Gerichte seien stets auch zu verschiedenen Ergebnissen gekommen, sagte sie. „Das Ganze dauert, und ich denke, das nervt“, sagte die Richterin.

Und so wandte sich die Juristin an zwei im Saal sitzende Vorstandsmitglieder des Vereins „Kadterschmiede“. „Sie wollen in den Räumen bleiben, und auch Sie wissen, dass Sie das mal bezahlen müssen“, erklärte Lange-Granert. Deshalb stelle sich die Frage, ob es nicht Zeit, Geld und Nerven sparen würde, wenn man das Weiterbestehen der Kneipe „auf vernünftige Beine stellen würde“ und auf eine rechtliche Basis.

Parteien wollen über Vergleichsvorschlag nachdenken

Die Richterin regte an, in die Zukunft zu schauen und für die Räumlichkeiten einen Mietvertrag abzuschließen – etwa ab März. Und auch einen Betrag nannte Christiane Lange-Granert schon für die zu zahlende monatliche Miete: 650 Euro. Im Gegenzug, so die Beisitzende Richterin, könne der klagende Hauseigentümer auf die angestrebte Nutzungsentschädigung vergangener Jahre verzichten. „Was hinter den Parteien liegt, ist vergessen“, sagte Lange-Granert. Es sei doch irre, was jetzt schon wieder an Gerichtskosten dazukomme.

Der Hauseigentümer, bei dem es sich um ein Unternehmen in England handelt, verlangt seit Jahren, die Kneipe in dem Haus räumen zu dürfen. Zudem will er, dass die Betreiber der „Kadterschmiede“, die sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben, für die Nutzung der Räume im Seitenflügel des Gebäudes rückwirkend zahlen. Sein Argument: Seit Ende 2013 werde die „Kadterschmiede“ ohne Mietvertrag betrieben.

Beide Seiten kündigten an, sich mit dem Kompromissvorschlag auseinanderzusetzen. „Wir haben immer versucht, eine Einigung zu erzielen. Es soll dort keine Luxussanierung stattfinden. Wir freuen uns über den Vorschlag“, sagte Alexander von Aretin, Anwalt des Eigentümers. „Ein Vergleich ist zu jeden Zeitpunkt sinnvoll“, sagte auch sein Kollege Markus Bernau. Die Nutzer der Räumlichkeiten hätten jedoch „seit Ewigkeiten“ kein Interesse gezeigt, auf den Eigentümer zuzugehen. Im Gegenteil: Man habe sich bisher stark eskalierend gezeigt. „Wir haben die Türen nie verschlossen.“

Gericht kündigt Entscheidung am 21. März an – ohne Einigung

Auch Lukas Theune, der Rechtsanwalt des Betreibervereins der linksautonomen Kneipe, versprach, dass der Vorschlag des Gerichts im Verein beraten werde. „Wir nehmen die Anregung mit. Grundsätzlich wäre das was“, sagte der Jurist. Das Interesse des Vereins, in den Räumlichkeiten zu bleiben, sei sehr groß.

Zeit genug haben beiden Seiten, sich über den Vorschlag der Zivilkammer abschließend Gedanken zu machen. Sabine Bünning, die Vorsitzende Richterin, gab den Parteien eine Frist von drei Wochen. Wenn es keine Einigung in dem Rechtsstreit gebe, dann werde das Gericht am 21. März seine Entscheidung verkünden.

Das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 ist eines der letzten Symbole der linksradikalen Szene und seit langem umkämpft. Immer wieder hatte der Eigentümer versucht, das Gebäude räumen zu lassen. Dagegen hatten sich die Bewohner stets – auch mit Gewalt – gewehrt. Zuletzt war es im vergangenen Sommer zu heftigen Ausschreitungen gekommen, als eine gerichtlich bestätigte Brandschutzprüfung ins Haus stand. Bewohner hatten das Gebäude verrammelt, Barrikaden angezündet und Polizisten mit Steinen angegriffen. Der Gutachter konnte das Haus nur unter Polizeischutz betreten.

Wir haben immer versucht, eine Einigung zu erzielen. Es soll dort keinen Luxussanierung stattfinden. Wir freuen uns über den Vorschlag.

Alexander von Aretin, Anwalt des Eigentümers

Doch in den vielen Verfahren, in denen es hauptsächlich um die Räumung des Mehrfamilienhauses ging, stand stets ein anderes Thema im Mittelpunkt. Es musste vor Gericht geklärt werden, ob der Eigentümer in Großbritannien überhaupt existiert und die Klägeranwälte damit bevollmächtigt sind, die Räumung zu verlangen. Auch in dem Verfahren am Montag stritten die Parteien zunächst über diese Frage, deren Antwort laut Gericht durch den Brexit nicht einfacher geworden ist.

Derzeit sind noch weitere Räumungsklagen gegen Bewohner des Hauses in der Rigaer Straße 94 anhängig; sie betreffen hauptsächlich das Vorderhaus. Rechtskräftig beschieden ist noch kein Verfahren.