Oligarch wagt Kritik an Putin: Zerstörung der Ukraine „kolossaler Fehler“

Der kremlnahe Milliardär Oleg Deripaska widerspricht Wladimir Putin: Die EU-Sanktionen seien für Russland „schmerzhafter“ als für den Westen.

Oleg Deripaska sprach öffentlich von einem „Krieg“ in der Ukraine, was eigentlich verboten ist.
Oleg Deripaska sprach öffentlich von einem „Krieg“ in der Ukraine, was eigentlich verboten ist.AFP/Kolesnikova

Der als kremlnah geltende Oligarch Oleg Deripaska hat es gewagt, die  „Spezialoperation“ in der Ukraine öffentlich als Krieg zu bezeichnen. Zudem warnte er davor vor einer Zerstörung der Ukraine. „Ich denke, es wäre ein kolossaler Fehler, die Ukraine zu zerstören“, sagte Deripaska am Dienstag in Moskau laut der Nachrichtenagentur RBС.

Der Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal bezeichnete auf der Pressekonferenz die russische Militäroffensive in der Ukraine als „Krieg“ - eine Bezeichnung, die von den russischen Behörden eigentlich verboten wurde. Dort wird öffentlich immer von einer „Spezialoperation“ gesprochen.

Deripaska: Westliche Sanktionen sind „schnell verderbliche Ware“

Die Strafmaßnahmen seien für Russland „natürlich schmerzhafter“ als für den Westen, meint Deripaska der Nachrichtenagentur Reuters zufolge. Damit widersprach er Äußerungen von Präsident Wladimir Putin, der wiederholt gesagt hatte, dass die Sanktionen Russland nichts anhaben könnten, während Verbraucher in westlichen Staaten insbesondere unter den gestiegenen Energiepreisen litten.

Laut dem in Russland sehr bekannten Oligarchen würde die russische Wirtschaft mit den westlichen Sanktionen aber besser zurechtkommen als gedacht. Die derzeitigen westlichen Sanktionen bezeichnete er als „schnell verderbliche Ware“. „Wir verstehen, dass sie in eineinhalb Jahren nicht nur sinnlos sind, sondern in die entgegengesetzte Richtung arbeiten“, behauptete er. Zwar träfen die Sanktionen die russische Wirtschaft hart, doch Russland habe sich überraschend gut an die neue Lage angepasst.

Für die Überwindung der Krise gebe es zwei Szenarien, sagte Deripaska: Bei einer Stützung der marktwirtschaftlichen Kräfte durch den Kreml sei diese in vier Jahren überstanden - wenn es keine Unterstützung gebe, werde es acht bis neun Jahre dauern. Die Sanktionen würden auf Dauer den Initiatoren selbst schaden. Wenn es keinen Frieden bis Jahresende gebe, werde im vierten Quartal eine globale Rezession beginnen, prognostizierte er.

Deripaska: Wohl kein Regimewechsel in Russland – Opposition im Ausland

Die politische Lage in Russland hingegen bezeichnete Deripaska als stabil. Im Land gebe es „kein Potenzial für einen Regimewechsel“. Die Opposition habe die Flucht ins Ausland vorgezogen und es sei nicht davon auszugehen, dass Männer wie Michail Fridman, Pjotr Awen oder der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski „zu den Waffen greifen und auf Panzern durchbrechen in die Region Brjansk“ im Westen Russlands, sagte der 54-Jährige. Deripaska stufte die Milliardäre Fridman und Awen als Oppositionelle ein, obwohl beide auf den westlichen Sanktionslisten stehen. Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben sie allenfalls vorsichtig kritisiert.

Deripaska selbst hatte zu Kriegsbeginn ebenfalls zu Verhandlungen und einem schnellen Friedensschluss aufgerufen. Er forderte angesichts der gegen Moskau verhängten Wirtschaftssanktionen ein „Ende des Staatskapitalismus“ in Russland. „Das ist eine echte Krise, und wir brauchen echte Krisenmanager“, sagte er vor wenigen Monaten.

Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs würden die Krise 1998, als Russland einen Staatsbankrott erlitt, um das Dreifache übertreffen, prognostizierte er damals und sprach von einem „Wahnsinn“. Nun hat Deripaska seine pessimistische Einschätzung - zumindest in der Öffentlichkeit - revidiert. Die russische Wirtschaft habe sich „gefestigter als erwartet“ erwiesen, so der Oligarch.