Russischer Spion beantragt Asyl in dem Land, das ihn enttarnte

Der 35-Jährige wurde vor fünf Jahren in Estland festgenommen und in einem Gefangenenaustausch nach Russland gebracht. Doch nun will er zurück.

Tallinn, die Hauptstadt Estlands 
Tallinn, die Hauptstadt Estlands AP/Pavel Golovkin

Ein ehemaliger Agent des russischen Militärgeheimdiensts GRU hat in Estland Asyl beantragt, nachdem das Land ihn vor fünf Jahren enttarnt, festgenommen und später über einen Gefangenenaustausch zurück nach Russland gebracht hatte. Das berichten Yahoo News und die estnische Tageszeitung Eesti Päevaleht.

„Die Russen haben überhaupt keine Ahnung, dass er hier ist“, sagte der Chef des estnischen Geheimdienstes, Alexander Toots, gegenüber dem Medium. 

Zinchenko: Wegen des Angriffskriegs aus Russland geflohen

Artem Zinchenko floh nach eigenen Angaben wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aus seinem Heimatland. Der 35-Jährige sagte gegenüber Yahoo News, er habe selbst Familie in der Ukraine. Seine Frau und Kinder hätten Russland zuerst verlassen, er sei später nach Estland gekommen.

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„Es ist das schlimmste Szenario, das ich mir überhaupt vorstellen kann“, sagte Zinchenko Yahoo News über den Krieg. „Und das nicht nur, weil meine Verwandten dort leben, sondern auch wegen der großen Zahl unschuldiger Opfer.“ Er wolle natürlich, dass Russland Teil der Welt sei, aber er sehe keine Zukunft in diesem Land, außer darin, dass Russland und Nordkorea kooperierten. „Der Präsident hat sich entschieden, einen Krieg zu beginnen. Ich denke, einige Institutionen sollten ihm das nicht erlauben“, so Zinchenko.

Toots: Viele Offiziere sind gegen den Krieg

„Viele Offiziere der russischen Dienste sind gegen den Krieg“, sagte Toots Yahoo News. „Sie betrachten es als ein Verbrechen gegen Russland und das russische Volk.

Das Portal zitiert aus dem Urteil gegen Zinchenko: Demnach sei der Ex-Agent beauftragt worden, „Objekte der nationalen Verteidigung“ und kritischer Infrastruktur auszuspionieren. Er habe in Häfen und zwei Städten spioniert. In einer der Städte sei estnisches Militär stationiert, in der anderen befinde sich ein Nato-Luftwaffenstützpunkt.

Im Jahr 2017 hatte Estland Zinchenko als russischen Spion enttarnt, 2018 war er dann den Berichten zufolge gegen den in Russland wegen angeblicher Spionage inhaftierten Esten Raivo Susi ausgetauscht worden.

Gemeinsam mit Lettland und Litauen wurde Estland 1940 von der Sowjetunion annektiert. Seit 1991 ist es unabhängig und seit 2004 EU-Mitglied. Estland hat eine 294 Kilometer lange Grenze zu Russland.