Berichte von Schüssen und Aggression: Deutsche Retter unterbrechen Erdbebenhilfe
Nach dem heftigen Erdbeben eskaliert die Lage vor Ort zunehmend. Wegen Sicherheitsrisiken stoppen mehrere Gruppen ihre Hilfe. Die Zahl der Todesopfer steigt indes auf über 24.000.

Das Technische Hilfswerk (THW) und die Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany unterbrechen wegen Sicherheitsbedenken ihre Rettungsarbeiten im Erdbebengebiet in der Türkei. In den vergangenen Stunden habe sich nach verschiedenen Informationen die Sicherheitslage in der Region Hatay geändert, teilten die Organisationen am Samstag mit. Such- und Rettungsteams blieben vorerst im gemeinsamen Basislager in der Stadt Kirikhan. Wenn es einen konkreten Hinweis gebe, dass man jemanden lebend retten könne, werde man aber dennoch hinausfahren, sagte die THW-Sprecherin Katharina Garrecht vor Ort der Deutschen Presse-Agentur.
THW und I.S.A.R. teilte weiter mit: „Grund dafür scheinen unter anderem die Verknappung von Lebensmitteln und die schwierige Wasserversorgung im Erdbebengebiet.“ I.S.A.R.-Einsatzleiter Steven Bayer sagte: „Es ist festzustellen, dass die Trauer langsam der Wut weicht.“ Tamara Schwarz, Sprecherin der THW-Zentrale in Bonn, sprach von „tumultartigen Szenen“. Der Schutz der Ehrenamtlichen stehe jetzt im Vordergrund. Die Teams blieben aber weiter vor Ort.

Zuvor hatten Soldatinnen und Soldaten einer Katastrophenhilfseinheit des österreichischen Militärs ihre Rettungsarbeiten in der Provinz Hatay eingestellt. „Es gibt zunehmend Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei. Es sollen Schüsse gefallen sein“, sagte Oberstleutnant Pierre Kugelweis vom österreichischen Bundesheer der Nachrichtenagentur APA. Auch die österreichischen Retter bleiben aber vor Ort und stehen für weitere Einsätze bereit.
Zahl der Erdbeben-Toten in der Türkei und Syrien steigt auf über 24.000
Bislang sind im syrisch-türkischen Grenzgebiet mehr als 24.500 Menschen ums Leben gekommen. Allein in der Türkei starben mindestens 21.043, in Syrien mehr als 3553. Fast 85.000 Menschen wurden zudem in den beiden Ländern verletzt. Tausende weitere Todesopfer werden unter den eingestürzten Gebäuden befürchtet.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden allein in Syrien bis zu 5,3 Millionen Menschen obdachlos. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass auf beiden Seiten der Grenze bis zu 23 Millionen Menschen von den Folgen des Bebens betroffen sind.

Anadolu: Baby nach 128 Stunden aus Trümmern gerettet
Mehr als fünf Tage nach dem Erdbeben ist in der osttürkischen Provinz Hatay laut einem Medienbericht ein zwei Monate altes Baby lebend aus Trümmern geborgen worden. Der Säugling in der Mittelmeer-Gemeinde İskenderun sei 128 Stunden lang unter Schutt begraben gewesen, bevor er herausgezogen und in ein Krankenhaus gebracht wurde, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag.
Obwohl sich das eigentlich kritische 72-Stunden-Fenster für die Rettung Verschütteter längst geschlossen hat, werden in der Katastrophenregion im türkisch-syrischen Grenzgebiet weiter Überlebende unter den Trümmern gefunden.
Verschüttete in Syrien nach über vier Tagen aus Trümmern gerettet
Auch in Syrien werden immer noch Menschen lebend geborgen. Retter haben mehr als vier Tage nach dem Erdbeben zwei Menschen in der Küstenstadt Dschabla aus einem eingestürzten Wohnhaus befreit. Mutter und Sohn seien nach ihrer Rettung am Freitagabend in ein Krankenhaus gekommen, meldete die Staatsagentur Sana. Beide erlitten demnach mehrere Knochenbrüche. Ihr gesundheitlicher Zustand sei ansonsten aber stabil.
Laut Medien ist die Mutter 60 und ihr Sohn 22 Jahre alt. Die Helfer sollen den Berichten zufolge auch die 24 Jahre alte Tochter der Frau aus den Trümmern gerettet haben.

Das syrische Staatsfernsehen zeigte, wie der junge Mann bei seiner Befreiung kaum sprechen konnte. Er stand sichtlich unter Schock. Nach Angaben der Hilfsorganisation Roter Halbmond wurden bis in die Nacht mindestens vier Überlebende aus den Trümmern des Gebäudes geholt. Laut Sana wurden auch mehrere Tote geborgen. Die Stadt Dschabla wird von Regierungskräften kontrolliert.
Am frühen Montagmorgen hatte zunächst ein Beben der Stärke 7,7 das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert, bevor am Mittag ein weiteres Beben der Stärke 7,6 folgte. Menschen überleben nur in seltenen Fällen länger als drei Tage ohne Wasser. Die Hoffnung, weitere Überlebende zu finden, ist deshalb nur noch gering.
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