Drei Wochen nach einem gescheiterten Putschversuch in Libyen haben Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen in der Hauptstadt Tripolis Angst vor einer neuen Gewalteskalation geschürt. Bei den nächtlichen Auseinandersetzungen zwischen zwei einflussreichen Milizen aus dem Westen des Landes sei mindestens ein Kämpfer getötet worden, sagte ein Sicherheitsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Auf Vermittlung einer neutralen Militärbrigade kehrte am Samstag wieder Ruhe ein.
Ein AFP-Reporter berichtete am Freitagabend von Schüssen und Explosionen in mehreren Stadtvierteln. Ein Bewohner sagte, derart schwere Kämpfe habe er in seinem Viertel seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr erlebt. Es entstand erheblicher Schaden, Zivilisten aber kamen laut dem Sicherheitsvertreter nicht ums Leben.
Im Mai hatte der Machtkampf der beiden rivalisierenden Regierungen in Libyen bereits schwere Kämpfe in Tripolis ausgelöst. Auslöser war der Versuch des vom Parlament in Tobruk ernannten Regierungschefs Fathi Baschagha, die Regierung von Abdelhamid Dbeibah aus Tripolis zu vertreiben. Nach wenigen Stunden zogen sich Baschagha und seine Minister aus der Stadt zurück.
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Nach dem Sturz von al-Gaddafi kommt es immer wieder zu Gewalt
Das Parlament hatte Baschagha am 10. Februar in der östlichen Stadt Tobruk an die Spitze einer Übergangsregierung berufen. Der ehemalige Innenminister sollte Dbeibah ablösen, der seit 2020 die Regierung in Tripolis anführt. Dbeibah will die Macht jedoch nur an eine vom Volk gewählte Regierung abtreten.
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 wird Libyen von Gewalt und Machtkämpfen erschüttert. Möglicher Auslöser der jüngsten Auseinandersetzungen waren nach Angaben des Sicherheitsvertreters die Festnahme von Kämpfern beider Milizen. Diese unterstützen jeweils Baschagha oder Dbeibah.
Einwohner flüchten vor Kreuzfeuer
Auf von den libyschen Medien veröffentlichten Aufnahmen war zu sehen, wie Einwohner auf belebten Straßen vor dem Kreuzfeuer flüchteten, unter ihnen auch Frauen mit Kinderwagen. UNO und EU verurteilten die jüngsten Kämpfe scharf. „Genug ist genug“, erklärte die Beraterin des UN-Generalsekretärs für Libyen, Stephanie Williams, auf Twitter. Sie forderte alle Parteien zur „maximalen Zurückhaltung“ und zum Schutz der Zivilbevölkerung auf.
Der EU-Sondergesandte José Sabadell nannte die bewaffneten Zusammenstöße mitten in Tripolis „schockierend und beschämend“: „Die Waffen wurden in einem Park abgefeuert, in dem Kinder spielen“, schrieb er auf Twitter. Der öffentliche Raum in Tripolis gehöre „den Familien, nicht den Männern mit Waffen“.
