Sind Waffenlieferungen an die Ukraine kriegsentscheidend?
Nach Einschätzung von Analysten hängt der Ausgang des russischen Angriffskriegs in der Ukraine von westlichen Waffen ab. Verlängern späte Lieferungen den Krieg?

Das amerikanische Institut für Kriegsstudien, das Institute for the Study of War (ISW), hat nach eigenen Angaben Muster im Ukraine-Krieg erkannt. Nach Einschätzung der Experten haben westliche Waffenlieferungen demnach massiv Einfluss auf den Verlauf des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Das ISW veröffentlichte am Sonntag eine neue Beurteilung, die den Krieg in drei Phasen einteilte. Dabei kamen die Analysten zu dem Ergebnis, dass das „Muster der Bereitstellung westlicher Hilfe den Verlauf des Krieges stark beeinflusst hat“. Was bedeutet das konkret?
Russland in der Offensive, Widerstand der Ukraine erstarkt
Die erste Phase definierte das ISW als Zeitraum vom Beginn des Krieges bis Anfang Juli 2022. In dieser Zeit sollen die russischen Streitkräfte zunächst in der Offensive gewesen sein. Jedoch ergriffen ukrainische Widerstandskämpfer später die „Initiative und begannen im August mit groß angelegten Gegenoffensiven“.
Dadurch seien die russischen Truppen bis Mitte November deutlich geschwächt worden. Die ukrainischen Kämpfer konnten sie aus dem westlichen Bereich der Region Cherson zurückdrängen. In dieser zweiten Phase seien die Russen nicht in der Lage gewesen, eine Gegenoffensive zu starten, so das ISW.
Waffenlieferungen: Zögern des Westens spielt Russland in die Karten
Das Zögern westlicher Regierungen, Waffen an die Ukraine zu liefen, bescherte den Streitkräften des Kremls allerdings laut den Analysten eine neue Angriffschance. Demnach hätten die russischen Truppen nun die Möglichkeit gehabt, „die Initiative wiederzuerlangen und die Messlatte für künftige ukrainische Gegenoffensiven höher zu legen, auch wenn sie es nicht tun“.
Durch die zögerliche Haltung von Ländern wie Deutschland sei auch die Fähigkeit der Ukraine, in der dritten Phase eine Gegenoffensive zu starten, gebremst worden. Vor allem die Zurückhaltung bei der Lieferung hochwertigerer Waffensysteme wie Panzer, Langstreckenraketen oder Luftabwehrsysteme habe dazu beigetragen.
Westliche Waffenlieferungen kamen langsam
Für das ukrainische Militär sind „Waffen und Nachschub immer von zentraler Bedeutung für die Planung und Durchführung von soliden Kampagnen“, erklärt das Institut. In den ersten Monaten des Krieges beschränkte sich die westliche Hilfe lediglich auf die Lieferung sowjetischer Waffen aus Altbeständen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätten Länder wie die USA und Großbritannien allerdings dazu übergehen sollen, moderne Waffen zu liefern, heißt es in der ISW-Einschätzung.
Laut den Analysten wären die Sommermonate für die Ukraine deutlich erfolgreicher gewesen, wenn bereits mehr westliche Waffenlieferungen eingetroffen wären. Die Streitkräfte wären demnach für die Rückeroberung der Gebiete in Charkiw und Cherson besser gerüstet gewesen, womöglich sogar siegreicher.
