Soziologe: Das würde bei einem Erstkontakt mit Aliens passieren

Es gibt verschiedene Szenarien, wie wir auf der Erde von der Existenz von Aliens erfahren könnten. Was würde das mit uns machen? Ein Exosoziologe klärt auf.

Die Vorstellung von außerirdischem Leben und dem Eintreffen von Aliens auf der Erde ist für viele faszinierend. (Symbolbild)
Die Vorstellung von außerirdischem Leben und dem Eintreffen von Aliens auf der Erde ist für viele faszinierend. (Symbolbild)imago

Der Exosoziologe Michael Schetsche rechnet für den Fall einer Kontaktaufnahme mit Außerirdischen mit einer zivilisatorischen Krise. Im Interview mit dem Nachrichtenportal ntv.de erklärt Schetsche, was bei einem Erstkontakt mit solchen Aliens auf unserem Planeten passieren könnte.

Zunächst gibt er zu bedenken, dass die Reaktion auf der Erde bei einer Kontaktaufnahme davon abhängen würde, aus welcher Entfernung das Signal unseren Planeten erreichen würde. „Kommt es etwa von einem Sternensystem, das 10.000 Lichtjahre entfernt ist, dann heißt das natürlich auch, dass das Signal 10.000 Jahre unterwegs war. Es wurde also zu einer Zeit abgesendet, als es noch gar keine menschliche Hochzivilisation gab. Und vielleicht existiert auch die Zivilisation, die es abgeschickt hat, mittlerweile gar nicht mehr.“

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Auch könne man bei der Entfernung kein Gespräch führen. Ein Dialog, bei dem man 20.000 Jahre auf Antwort warten müsse, wäre doch schließlich sehr schleppend. „Das wäre also der Fall der maximalen Bedeutungslosigkeit“, so Schetsche.

Neue religiöse Kulte würden entstehen

Anders würde es sich verhalten, käme das Signal aus 40 Lichtjahren Entfernung. Zwei Fragen würde man sich auf der Erde dann stellen müssen: „Die erste ist: Kann man einen Dialog führen? Auf diese Distanz müsste man etwa 80 Jahre auf eine Antwort warten. Aber das geht vielleicht gerade so. Die zweite Frage ist: Können wir vielleicht sogar hinfliegen? Oder können die anderen vielleicht zu uns kommen? Das macht die Sache spannender“, findet der Soziologe.

In dem Fall einer derartigen Entdeckung schätzt Schetche, dass viele Menschen sich mehr mit astronomischen und philosophischen Fragen auseinandersetzen würden. Auch die Entstehung neuer religiöser Kulte hält er für möglich. Ansonsten würde es zunächst für den Alltag der Menschen keinen nennenswerten Unterschied machen.

Anders verhielte es sich in Wissenschaft und Technik. „Das würde sicherlich die Raumfahrt sehr beflügeln“, glaubt Schetsche. Weltweit würde es seiner Einschätzung nach zu konkurrierenden Projekten kommen, was den Kontakt zu den Außerirdischen angeht. Einen positiven, „zusammenschweißenden“ Effekt erwartet er nicht.

Fund von Alien-Spuren in unserem Sonnensystem „am wahrscheinlichsten“

Noch einmal anders wären die Folgen auf der Erde, sollten außerirdische Artefakte auf der Erde gefunden werden, die belegen, dass Aliens bereit in unserem Sonnensystem. „Beim Artefakt-Szenario geht es darum, dass wir in unserem Sonnensystem, etwa auf dem Mond oder im Asteroidengürtel, irgendetwas finden, das künstlich und nicht von Menschen hergestellt ist. Dieses Szenario halte ich für am wahrscheinlichsten.“

Schetsche hält das Artefakt-Szenario in zweierlei Hinsicht für problematisch. „Zum einen ist der kulturelle Impakt größer, weil der Fund bedeutet, dass Außerirdische bereits hier gewesen sind. Das wäre der Beweis, dass interstellare Entfernungen überbrückbar sind und wir müssten damit rechnen, dass die Aliens eines Tages wiederkommen.“, erklärt der Soziologe.

Ein solcher Fund würde auch die Fragen aufwerfen, ob Außerirdische uns noch immer beobachten und ob es noch andere Sonden gibt, die wir noch nicht gefunden haben. „Das könnte auch eine diffuse Bedrohung erzeugen.“ resümiert der Wissenschaftler.

Ein tatsächliches Begegnungsszenario mit Außerirdischen hätte dann mit Sicherheit religiöse Auswirkungen, glaubt Schetsche. „Ich prognostiziere ganz klar: Wenn das passiert, ist das Erste, was entsteht, religiöse Kulte. Und zwar zwei Arten von religiösen Kulten. Die einen sagen, die Außerirdischen sind eine göttliche Macht, die wir anbeten sollten, und die anderen sagen, das sind Abgesandte des Teufels, die wir unbedingt vernichten sollten. Und dazwischen die katholische Kirche, die diskutiert, ob die Außerirdischen getauft werden dürfen.“

Eintreffen von Aliens auf der Erde wäre mies für die Menschheit

Massenpsychologisch hätte die Ankunft von Aliens auf der Erde laut dem Forscher negative Auswirkungen. „Es gibt bei solchen asymmetrischen Kulturkontakten, bei denen die einen weiter fortgeschritten sind als die anderen, immer so eine Logik von Entdeckern und Entdeckten. Und in dem Fall wären wir die Entdeckten.“

Aus der Menschheitsgeschichte sei ersichtlich, dass 95 Prozent der asymmetrischen Kulturkontakte in den letzten 2000 Jahren jeweils für die Entdeckten schlimm ausgegangen seien. Es gebe sogar die These, dass außerirdische Spezies, die interstellare Raumfahrt betreiben, immer aggressiv sein würden, „weil sie von Prädatoren abstammen, also von Jägern“, so der Forscher. Manche Astrobiologen nähmen an, dass immer die jagenden Tiere Zivilisationen bilden, nie die gejagten.

Schetsche geht davon aus, dass es nicht mehr so lange dauern wird, bis die Menschen zumindest auf einem Gebiet schlauer sein werden. „Ich denke, wenn es außerirdische Artefakte in unserem Sonnensystem gibt, werden wir die wahrscheinlich in den nächsten 100 oder 200 Jahren finden.“, prognostiziert der Soziologe. Er lehrte bis zu seinem Ruhestand am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg und am Institut für Soziologie der Universität Freiburg

Derzeit suchen Forschende mit neuen Hochleistungsteleskopen, wie etwa dem„ James Webb“, nach außerirdischem Leben. Bei etwa 5000 bekannten Planeten außerhalb der Milchstraße ist es durchaus möglich, dass sich darunter auch eine intelligente Zivilisation befindet.