Lauterbach: Wir müssen sofort zurück in den Lockdown
Das RKI registriert einen exponentiellen Anstieg der Fälle. Deutschland hat zu wenig Impfstoff, um das Geschehen aufzuhalten, sagt Gesundheitsminister Spahn.

Berlin-Das sieht nicht gut aus für den Osterurlaub. Die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus steigen weiter. Das Robert-Koch-Institut (RKI) rechnet damit, dass Anfang April die bundesweite Inzidenz wieder bei 200 liegen könnte. In Berlin liegen bereits einige Bezirke über 100. Auch in Brandenburg liegt der Wert bereits über 100. Hamburg hat am Freitag die Notbremse gezogen und Öffnungen zurückgefahren. Und der Impffortschritt lässt weiter auf sich warten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Freitag darauf hingewiesen, dass die dritte Corona-Welle in Deutschland nicht durch Impfungen gestoppt werden kann.
„Zur ehrlichen Lageanalyse gehört: Es gibt in Europa noch nicht genügend Impfstoff, um die dritte Welle allein durch Impfen zu stoppen“, sagte Spahn am Freitag. „Selbst wenn die Lieferungen aus EU-Bestellungen nun zuverlässig kommen, wird es noch einige Wochen dauern, bis die Risikogruppen vollständig geimpft sind.“ Erst dann könne man aber über breitere Öffnungen der Gesellschaft reden. In der derzeitigen Situation müsse man Öffnungsschritte vielleicht sogar wieder zurücknehmen. „Wir sind in einer Phase, in der Ostern ganz anders aussehen könnte, als wir uns das vor drei Wochen vorgestellt haben.“
Der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach wurde noch deutlicher: „Wir müssen sofort zurück in den Lockdown“, sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Spahn. Es mache keinen Sinn zu warten. Je früher man reagiere, desto kürzer könne der Lockdown sein, um wieder auf eine beherrschbare Fallzahl zu kommen. Lauterbach sprach vom Beginn einer „fulminanten dritten Welle“. Wenn die Fallzahlen nicht abgebremst würden, sei eine Überlastung der Intensivstationen in wenigen Wochen zu erwarten.
Coronavirus: Jetzt trifft es auch die Jüngeren
Das Robert-Koch-Institut warnte am Freitag vor dem rasanten Anstieg der Corona-Infektionszahlen in Deutschland. Diese verlaufen demnach wieder „ganz deutlich exponentiell“, sagte Vizepräsident Lars Schaade. Vor allem bei den 15- bis 49-Jährigen steige die Fallzahl deutlich an. Das liege an der Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante B.1.1.7, die bereits drei Viertel alle Fälle ausmache. „Es ist unstrittig, dass bei dieser Variante Kinder und Jugendliche genauso ansteckend sind wie Erwachsene“, so Lauterbach.
Lauterbach sprach sich zudem dafür aus, die Erstimpfung in den Vordergrund der Impfstrategie zu stellen. Wenn man so mehr Menschen schütze, könne das 8000 bis 14.000 Menschenleben retten. Wichtig sei auch, das Testen in Schulen und Betrieben zu verstärken. Wenn es gelinge, dort alle Menschen mindestens zweimal pro Woche verlässlich zu testen, wäre der R-Wert auch in dieser dritten Welle absenkbar.
Der R-Wert zeigt an, wie viele Menschen ein Infizierter wiederum ansteckt. Derzeit, so Lauterbach, liege der R-Wert der Mutante bei 1,3. „Das bedeutet die Verdopplung der Fallzahlen in rund zehn Tagen“, so der SPD-Politiker. Sein Appell: Keine Reisen zu Ostern! Eine Reisewelle würde die dritte Welle befeuern, das müsse unbedingt vermieden werden.
Die Schulen in Deutschland sollen nach dem Willen der Kultusminister der Länder trotz der steigenden Fallzahlen so lange wie möglich offen gehalten werden. Lehrkräfte, die Präsenzunterricht halten, sollten zugleich Vorrang beim Impfen bekommen. Auf diese gemeinsame Position haben sich die Ministerinnen und Minister bei Beratungen in der Kultusministerkonferenz (KMK) verständigt, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Beschluss hervorgeht.
Am kommenden Montag wollen die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die weiteren Schritte bei den Beschränkungen beraten.
