SPD-Vorsprung vor Grünen in Berlin schmilzt auf 53 Stimmen

Seit mehr als einer Woche loten vier Parteien in Berlin aus, welche Koalition nach der Wiederholungswahl machbar ist. Das hat auch mit einem wichtigen Termin am Montag zu tun.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD)
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD)Markus Waechter/Berliner Zeitung

Spannung bei den Berliner Parteien, Zittern bei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD): Gut zwei Wochen nach der Wiederholungswahl in der Hauptstadt ermittelt der Landeswahlausschuss an diesem Montag das endgültige Ergebnis. Während solche Termine normalerweise eher Routine sind, ist das dieses Mal anders.

Denn nach dem vorläufigen Ergebnis, das unmittelbar nach der Wahl vom 12. Februar verkündet wurde, liegen SPD und Grüne mit je 18,4 Prozent gleichauf hinter dem Wahlsieger CDU (28,2). Nur ein kleiner Vorsprung von zunächst 105 Stimmen - bei insgesamt gut 1,5 Millionen gültigen Stimmen – nährt die Hoffnung der SPD, ihre Regierungschefin Franziska Giffey im Rathaus zu halten. Sollte der Vorsprung wegschmelzen, würden die Karten im Berliner Machtpoker neu gemischt.

Wiederholungswahl: SPD-Vorsprung vor den Grünen wird geringer

Nach einem Bericht der Bild am Sonntag zum endgültigen Wahlergebnis scheint es nun auf einen hauchdünnen Vorsprung der SPD hinauszulaufen: Nur noch 53 Stimmen liege sie vor den Grünen, schrieb die Zeitung und berief sich auf vorliegende Unterlagen des Wahlausschusses. Landeswahlleiter Stephan Bröchler verwies auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur auf die Sitzung des Landeswahlausschusses am Montag. Dort werde das endgültige Endergebnis der Wiederholungswahl festgestellt und verkündet.

In den letzten Tagen wurden die vorläufigen Wahlergebnisse in allen zwölf Berliner Bezirken überprüft, Unstimmigkeiten ausgeräumt, und es wurde teils neu gezählt. Der bekannteste Fall spielte sich in Lichtenberg ab, wo 466 Wahlbriefe von Briefwählern zunächst liegen blieben, in der Woche nach der Wahl dann aber nachträglich noch ausgezählt wurden.

In der Summe dürften die korrigierten Bezirksergebnisse in jedem Fall Auswirkungen auf das landesweite Ergebnis haben. Auch bei vergangenen Wahlen war es immer so, dass vorläufiges und endgültiges Wahlergebnis sich um Hunderte oder sogar Tausende Stimmen unterschieden. Doch in der Regel blieb das ohne Auswirkungen auf die Reihenfolge der Parteien bei den Zweitstimmen und damit auf die Sitzverteilung.

CDU-Spitzenkandidat Wegner verfolgt Zweierkoalition

Diesmal könnte das anders sein und starke Auswirkungen auf den Prozess der Regierungsbildung haben. Seit 17. Februar sondieren CDU, SPD, Grüne und Linke in unterschiedlichen Formaten, ob es eine Basis für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen und eine gemeinsame Regierung gibt. Für den Wahlsieger und CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner ist die Sache klar: Er möchte eine Zweierkoalition mit der SPD oder den Grünen schmieden und Regierungschef werden.

Allerdings hat auch die bisherige Koalition aus SPD, Grünen und Linken (12,2 Prozent nach vorläufigem Ergebnis) eine Mehrheit im neuen Abgeordnetenhaus und könnte eine Regierung bilden. Im Falle einer Fortführung könnte nach bisherigem Stand die seit Dezember 2021 amtierende Regierungschefin Giffey im Amt bleiben - weil die SPD eben stärkste Kraft dieser drei Parteien ist. Das haben auch die Grünen anerkannt: „105 Stimmen sind 105 Stimmen“, hatte ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch dazu gesagt.

Doch sollten sich die Grünen doch noch vor die SPD schieben, und sei es nur mit einer Stimme Vorsprung, könnte Jarasch Giffey im Rathaus ablösen. Wohlgemerkt dann, wenn Grüne, SPD und Linke ihr 2016 geschmiedetes und 2021 nach der später für ungültig erklärten Wahl erneuertes Bündnis fortsetzen.

Die Aussicht, erste Grüne im Berliner Rathaus und zweite Regierungschefin der Grünen in einem deutschen Bundesland zu sein, könnte für Jarasch allzu verlockend sein. Schließlich hätte sie dann ihr im Wahlkampf formuliertes Ziel erreicht: Eine Fortsetzung der Dreierkoalition unter grüner Führung. Warum sollten die Grünen dann mit der CDU zusammengehen?

Karriere von Franziska Giffey könnte beendet werden

Umgekehrt sähe es für Giffey aus. Verlöre ihre SPD Platz zwei, könnte die steile politische Karriere der 44-jährigen Ex-Bundesfamilienministerin vorerst beendet sein. Dass sie in einer möglichen Koalition, in der die SPD Juniorpartner ist, noch ein Amt bekleiden wird, gilt als unwahrscheinlich. Die Frage wäre dann auch, ob es die SPD, die in Berlin jahrzehntelang mitregiert und seit mehr als 20 Jahren den Regierenden Bürgermeister stellte, zur CDU, zu Grünen und Linken oder gar in die Opposition zieht.

Welche Koalitionsoption am Ende in Berlin umgesetzt wird, lässt sich noch nicht absehen. Dreimal sondierten CDU/SPD, je zweimal CDU/Grüne und SPD/Grüne/Linke. Letztere treffen sich am Montag wieder - parallel zur Sitzung des Landeswahlausschusses. Eine Tendenz, wohin die Reise in Sachen Regierungsbildung geht, ist noch nicht zu erkennen.

Sondierungen nach Berlin-Wahl: Viele Floskeln, viele Unklarheiten

Die Beteiligten ließen sich bisher nicht in die Karten schauen. Vielmehr flüchteten sie sich in den Statements nach ihren jeweiligen Treffen oft in sondierungstypische, inhaltlich wenig konkrete Floskeln. Demnach waren die bisherigen Gespräche wahlweise „offen“, „ernst“, „konstruktiv“ oder „lösungsorientiert“. Die Parteien entdeckten dabei „Schnittmengen“, räumten aber auch „unterschiedliche Auffassungen“ bei bestimmten Themen ein.

Daher sollen die Gespräche auch in der neuen Woche weitergehen - und könnten dann auch in die Beantwortung der Frage münden: Wer will mit wem über eine Koalition verhandeln? Womöglich hilft dabei, dass die Rangfolge zwischen SPD und Grünen dann endgültig feststeht.