An dem geplanten Bürgergeld gibt es massive Kritik: Unter anderem wird der Vorwurf laut, dass Bürgergeld-Empfänger mehr auf dem Konto haben würden, als wenn sie regulär arbeiten gingen. Geringverdienern würde so der Anreiz für eine Lohnarbeit fehlen. Die Regierungskoalition weist solche Vorwürfe zurück. Sozialverbände finden indes, die Regelsätze seien zu niedrig.
SPD und Grüne: „Offenbar hat man den Schuss noch nicht gehört“
„Offenbar hat man den Schuss bei einigen Arbeitgebervertretern und in der Union noch nicht gehört“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Statt weiter das Lied von angeblich zu hohen Regelsätzen zu trällern, die Arbeit unattraktiv machen würden, sollten die Arbeitgeber endlich ihrer Verantwortung nachkommen und durch eine viel stärkere Tarifbindung attraktivere Beschäftigungsbedingungen schaffen.“ Die Logik von Daumenschrauben und niedrigen Löhnen sei gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein fataler Irrweg in die arbeitsmarktpolitische Sackgasse.
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Bürgergeld-Gesetz noch nicht verabschiedet, Kritiker auf den Barrikaden
Millionen Menschen in Deutschland sollen mit dem Bürgergeld ab 1. Januar mehr Geld und eine bessere Betreuung erhalten. Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch grünes Licht für die zentrale Sozialreform der Ampel-Koalition gegeben. Das Bürgergeld soll Hartz IV für die mehr als fünf Millionen Betroffenen in seiner heutigen Form ablösen.
Die Regelsätze der Grundsicherung sollen dabei deutlich steigen. So sollen Alleinstehende 502 Euro im Monat erhalten und Jugendliche 420 Euro. Heute erhalten Alleinstehende 449 Euro. Zudem sollen Arbeitssuchende in den Jobcentern künftig weniger Druck ausgesetzt sein. Abgeschafft werden soll das Prinzip, nach dem die Vermittlung in einen Job Vorrang hat. Stattdessen soll Weiterbildung gestärkt werden.
Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetz noch zustimmen.
Handwerk: Bürgergeld macht Geringverdiener antriebslos
Union und Arbeitgeber warfen der Koalition vor, sie beließen Bedürftige auf Dauer im Hilfssystem. Auch Arbeitsmarkt-Experten meldeten sich zur Wort. Der BZ sagte der Freiburger Sozialexperte Bernd Raffelhüschen, Empfänger mit Familie hätten „mit Hartz IV deutlich mehr, als wenn sie Einkommen aufgrund ihrer Qualifikation beziehen würden.“
In den sozialen Medien entbrannte ein Streit um die geplanten Erhöhungen. Viele Nutzer äußerten sich erbost. Der Hashtag #Bürgergeld trendete am Freitag auf Twitter, bis zum Abend wurden mehr als 10.000 Tweets zu dem Thema veröffentlicht.
#Bürgergeld
— Tronot (@BenBak11) September 15, 2022
Arbeiten lohnt sich noch?
bestraft ruhig die Arbeiter die morgens aufstehen und arbeiten gehen…
Der Deutsche Handwerksverband kritisierte, dass das Bürgergeld Geringverdiener antriebslos mache: „Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten – all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.“
Erhöhung für Sozialverbände und Gewerkschaften noch nicht weitreichend genug
Sozialverbände und Gewerkschaften kritisierten hingegen, die geplanten monatlichen Sätze seien zu niedrig. Auch einige Internetnutzer fanden, dass Menschen nicht vom derzeitigen Existenzminimum leben könnten.
Deshalb sehe ich die 50€ Erhöhung auf das #Bürgergeld als absoluten Hohn an. Es ist einfach zu wenig um teilhaben zu können. Kranke und alte Menschen haben sich das nicht ausgesucht und werden bestraft
— MaliFan 🇦🇱🇽🇰🇺🇦 #StandWithUkraine 🇦🇱🇽🇰 (@MaliFan1804) September 16, 2022
Grüne verteidigen Reform gegenüber Kritik der Union
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte der Rheinischen Post mit Blick auf die Unionskritik, wenn CDU und CSU wieder einmal versuchten, soziale Absicherung von Menschen und Fachkräftemangel gegeneinander auszuspielen, dann verkenne dies die Zeichen der Zeit. „Dem Fachkräftemangel begegnen wir nur mit besseren Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Pflege, mit Fortbildung und Qualifizierung, einer besseren Vereinbarkeit und insbesondere mit einer Reform der Fachkräfteeinwanderung.“
Studentwerk fordert Bafög-Erhöhung
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) fordert derweil nach dem Beschluss zur Einführung des Bürgergelds eine Erhöhung auch der Bafög-Sätze. Wenn beim Bürgergeld künftig 502 Euro gezahlt werde, um den Lebensunterhalt zu sichern, sollten die Bafög-Empfänger beim Grundbedarf nicht mit lediglich 452 Euro für Lebensunterhalt und Ausbildungskosten abgespeist werden, sagte DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl der Deutschen Presse-Agentur. „Die Koalition muss deshalb den Grundbedarf für den Lebensunterhalt beim Bafög auf 502 Euro anheben.“ Er forderte darüber hinaus eine stetige Anpassung an die Entwicklung von Preisen und Einkommen.
