Vorschlag der Polizei: Musizieren die Autobahngegner nun auf der A103?

Die Gruppe „Lebenslaute“ plant ein Konzert auf der A100. Doch die Behörde sieht die „Leichtigkeit des Straßenverkehrs“ gefährdet. Sie hat eine andere Idee.

Die A100, der Stadtring in Berlin, ist eine der am stärksten genutzten Autobahnen Deutschlands. 2024 soll der 16. Bauabschnitt, der von Neukölln nach Treptow führen soll, eröffnet werden. Der Bund plant die Weiterführung nach Friedrichshain und Lichtenberg. Doch es gibt Protest.
Die A100, der Stadtring in Berlin, ist eine der am stärksten genutzten Autobahnen Deutschlands. 2024 soll der 16. Bauabschnitt, der von Neukölln nach Treptow führen soll, eröffnet werden. Der Bund plant die Weiterführung nach Friedrichshain und Lichtenberg. Doch es gibt Protest.dpa/Christoph Söder

„Musizieren statt betonieren“: Unter diesem Motto wollte die Gruppe Lebenslaute an diesem Donnerstag auf der A100 in Tempelhof ein Protestkonzert aufführen, das sich gegen den Weiterbau der Autobahn richten sollte. Doch wie jetzt bekannt geworden ist, hat die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei die geplante Kundgebung auf dem Stadtring untersagt. Das geht aus einem Schreiben vom vergangenen Freitag hervor, das die Lebenslaute am Montag veröffentlicht haben. Die Musiker kündigten an, dass sie weiterhin für den 4. August ein Konzert planen. „Notfalls wird es auf einer anderen Stadtautobahn in Berlin stattfinden“, teilten sie mit. In der Verfügung der Polizei ist von einer Alternative die Rede: ein Autobahnteilstück in Friedenau im Südwesten Berlins.

Die Gruppe Lebenslaute ist dafür bekannt, an ungewöhnlichen Orten in Konzertkleidung Klassik und andere Musik aufzuführen. Dazu zählen „Militärübungsplätze und Abschiebeflughäfen,  Atomfabriken und Raketendepots, in Ausländerbehörden und anderen menschenbedrohenden Orten“, wie die Initiative mitteilte. Ziel der Musiker ist es, Proteste zu unterstützen und für Aufmerksamkeit zu sorgen. Das galt schon für das erste Konzert der Lebenslaute, das 1986 während der Blockade des Pershing-II-Raketendepots in Mutlangen (Württemberg) stattfand.

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Erstes Konzert an diesem Dienstag in der Kreuzberger Taborkirche

Das Konzert auf der A100 in Berlin sollte Teil einer Aktionswoche werden, bei der die Lebenslaute, die Bürger*innen-Initiative A100 und andere für eine Verkehrswende und gegen die Verlängerung des Stadtrings protestieren wollten. Wie berichtet soll nach einem ersten Auftritt an diesem Dienstag in der Kreuzberger Taborkirche am Donnerstag auf der A100 konzertiert werden. Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Joseph Haydn, Franz Schubert und Rio Reiser. Dazu meldete die Gruppe am 1. Juni bei der Polizei eine Kundgebung zwischen den Anschlussstellen Tempelhofer Damm und Oberlandstraße an – am 4. August von 16 bis 18.30 Uhr. Erwartet wurden 500 Menschen.

Die Berliner Polizei hat den Antrag nun abgelehnt. Sie beruft sich auf das Versammlungsfreiheitsgesetz. Danach könne eine Versammlung unter freiem Himmel beschränkt werden, wenn „nach erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit gefährdet“ ist. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn die „Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs“ betroffen sei, hieß es. Sie seien unter Bezug auf Artikel 2 des Grundgesetzes „Bestandteil der Rechtsordnung und damit Schutzgut der öffentlichen Sicherheit“, so die Versammlungsbehörde der Landespolizeidirektion.

„Was verboten ist, das macht uns grade scharf…“

Dem Veranstalter seien die zu erwartenden Gefahren, die ein Konzert auf der A100 mit sich bringe, erläutert worden, heißt es in dem Bescheid. Er habe es zunächst abgelehnt, auf die Nutzung der Autobahn zu verzichten oder das Konzert zu verlegen. Nachdem die Polizei alternative Standorte unterbreitet hatte, habe der Veranstalter jedoch mit Mail vom 22. Juli zugestimmt, dass das Konzert auf der A103 nördlich der Anschlussstelle Saarstraße stattfindet, falls die Nutzung der A100 untersagt wird. Darum verfügte die Polizei nun, dass die Kundgebung stattdessen auf der A103 durchzuführen sei.

Ob die Lebenslaute diese Möglichkeit wahrnehmen und stattdessen tatsächlich auf dem Friedenauer Autobahnteilstück auftreten, blieb am Montag zunächst offen. Dies sei noch nicht entschieden, teilte ein Sprecher der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. „Das Konzert wird auf jeden Fall am 4. August stattfinden“, hieß es weiter. „Notfalls auf einer anderen Stadtautobahn in Berlin. Weitere Informationen folgen.“ Am Nachmittag twitterte die Initiative: „‘Was verboten ist, das macht uns grade scharf…‘, hieß es mal.“

Das Verbot für die A100 passe „genau zur Politik des FDP-Bundesverkehrsministeriums und der Ampelkoalition“, so eine Sprecherin der Lebenslaute. „Wir behalten uns alle weiteren Schritte vor. Dass eine Berliner Behörde so vorgeht, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihre Behauptung, dem Bau dieser klimaschädlichen Autobahn kritisch gegenüberzustehen. Wir werden das eben selber in die Hand nehmen müssen.“

Briti Beneke von der Bürger*innen-Initiative A100 sagte: „Als unterstützende Initiative des Konzerts von ,Lebenslaute‘ finden wir es ärgerlich, dass der Protest auf der A100 verboten wird, obwohl sich das Konzert gegen den Weiterbau der A100 richtet.“ Die „Leichtigkeit des Straßenverkehrs“ werde höher gewichtet als das Versammlungsrecht.

Polizei: Versammlung wurde nicht verboten

„Die für den 4. August mit dem Titel 'Musizieren statt Betonieren - Verkehrswende jetzt - A100 stoppen' angezeigte Kundgebung wurde nicht verboten“, sagte Thilo Calbitz, Sprecher der Berliner Polizei. „Mit Bescheid vom 29. Juli wurde die Versammlung lediglich beschränkt. So wurde der anzeigenden sowie versammlungsleitenden Person ein alternativer Versammlungsort, nämlich die BAB 103 Höhe Anschlussstelle Saarstraße zugewiesen. Im Ausgleich der widerstreitenden Rechtsgüter, der öffentlichen Sicherheit auf der einen und der Versammlungsfreiheit auf der anderen Seite, war dies erforderlich. Der thematische Bezug wird hierdurch nicht berührt. Die Versammlung kann unter Berücksichtigung der Beschränkungen abgehalten werden.“