Deutsche Medienaufsicht prüft Musks Twitter-„Reichweitenbooster“

Twitter-Nutzer bekommen plötzlich massenhaft Tweets von Elon Musk angezeigt. Musk soll laut Berichten dafür gesorgt haben, dass der Algorithmus manipuliert wird.

Hat Elon Musk den Twitter-Algorithmus manipulieren lassen, um mehr Reichweite zu bekommen?
Hat Elon Musk den Twitter-Algorithmus manipulieren lassen, um mehr Reichweite zu bekommen?Adrien Fillon/ZUMA Press Wire

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) prüft eine mögliche Manipulation des Twitter-Algorithmus durch Eigner Elon Musk. Wie die BLM am Freitag in München mitteilte, soll die Frage geklärt werden, ob ein Verstoß gegen den Medienstaatsvertrag vorliegt. Gegebenenfalls werde ein Aufsichtsverfahren eingeleitet.

In der Twitter-App können sich Nutzer die Kurznachrichten entweder in chronologischer Abfolge anzeigen lassen – oder von Software ausgesucht. Diese algorithmische Ansicht wurde für viele Nutzer diese Woche zeitweise von Musks Antwort-Tweets dominiert.

Das Branchen-Blog Platformer berichtete unter Berufung auf Twitter-Mitarbeiter, Software-Entwickler des Online-Dienstes seien zuvor aufgefordert worden, die Reichweite von Musks Beiträgen drastisch hochzuschrauben. Auslöser sei Verärgerung von Musk darüber gewesen, dass sein Tweet zum Football-Finalspiel Super Bowl deutlich seltener angezeigt worden sei als der von US-Präsident Joe Biden.

Hat Twitter das Gebot der Diskriminierungsfreiheit verletzt?

Der Bericht über einen „Reichweitenbooster“ sei Anlass für die Medienaufsicht zu prüfen, ob die Änderung auch beim deutschen Twitter-Ableger zu beobachten sei und damit die Regulierungsvorgaben verletzt würden, hieß es. Für das deutsche Angebot von Twitter ist in Deutschland die BLM zuständig.

„Bei einer möglichen Manipulation des Algorithmus greift der Medienstaatsvertrag mit dem Diskriminierungsverbot, das die bewusste Priorisierung bestimmter journalistisch-redaktioneller Inhalte verhindern soll“, erläuterte BLM-Präsident Thorsten Schmiege. Twitter habe gerade für die politische Kommunikation eine enorme Bedeutung. Meinungsvielfalt und damit auch einen freien demokratischen Dialog zu sichern, sei eine Aufgabe, die die Medienanstalten angesichts der Meinungsmacht von sozialen Medien sehr ernst nähmen.

Musk äußerte sich in den vergangenen Monaten häufig zu politischen Fragen. Er bezeichnete dabei unter anderem die Demokraten von Biden als „Partei der Spaltung und des Hasses“ und schlug vor, in den von Russland völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebieten Abstimmungen zur künftigen Zugehörigkeit unter UN-Aufsicht zu veranstalten.

Twitter dürfte unter verschärfte EU-Regeln für Online-Dienste fallen

Der Kurznachrichtendienst Twitter dürfte zudem wie Facebook, Instagram und mehrere Google-Dienste künftig unter verschärfte EU-Regeln gegen Hassrede, Terrorpropaganda oder auch gefälschte Waren fallen. Sie alle haben eigenen Angaben zufolge entsprechend viele Nutzer. Die Frist, diese Daten öffentlich zu machen, endete unter dem sogenannten Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) an diesem Freitag.

Der DSA soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Betroffen davon sind Online-Marktplätze wie der von Amazon, soziale Medien wie Facebook, Plattformen zum Teilen von Inhalten wie YouTube und Suchmaschinen wie Google. Dabei müssen große Dienste mehr Regeln befolgen als kleine. Für sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat gelten besonders strenge Vorgaben. Sie müssen etwa mit Blick auf schädliche Inhalte einmal jährlich eine Risikobewertung vorlegen und Gegenmaßnahmen vorschlagen. Außerdem müssen sie Daten mit Behörden und Forschern teilen.

Vor allem bei Twitter zwar zuletzt unklar gewesen, ob es zu den sehr großen Plattformen zählen wird. Nun machte das Unternehmen von Elon Musk Daten öffentlich, wonach es in den vergangenen 45 Tagen im Schnitt 100,9 Millionen aktive Nutzer im Monat in der EU hatte – demnach dürfte es als sogenannte sehr große Online-Plattform bezeichnet werden. Gleiches gilt für die Meta-Töchter Facebook und Instagram. Für Facebook nannte der Konzern zuletzt durchschnittlich etwa 255 Millionen Nutzer in der EU im Monat, für Instagram etwa 250 Millionen.

EU-Kommission entscheidet, für welche Dienste DSA-Regeln gelten

Google legte unter anderem Zahlen auf Grundlage von Benutzerkonten vor. Demnach liegt die Zahl durchschnittlich angemeldeter Nutzer im Monat bei Google Maps (278,6 Millionen), dem Play Store (274,6 Millionen), der Google-Suche (332 Millionen), Google Shopping (74,9 Millionen) und YouTube (401,7 Millionen) über dem Grenzwert. Apple teilte lediglich mit, dass nur der App Store für das iPhone mehr als 45 Millionen Nutzer habe, andere Dienste dagegen hätten weniger Nutzer. Dennoch habe man vor, alle App Stores an die DSA-Regeln anzupassen. Auch Ebay teilte mit, unter dem Wert zu liegen.

Als nächstes wird nun die EU-Kommission darüber entscheiden, welche Dienste tatsächlich unter die sehr großen Plattformen fallen. Diese haben anschließend vier Monate Zeit, um die Vorgaben zu erfüllen – andernfalls drohen ihnen Strafen. Vom 17. Februar nächsten Jahres gelten die DSA-Regeln für alle Dienste, die unter das Gesetz fallen.