Sophie Passmann – ihr Name trendet seit dem Wochenende auf Twitter. Und so ein Trend ist in der Regel ein Zeichen dafür, dass viele User zum selben Thema debattieren, wobei häufig wohl besser zutrifft: sich über etwas empören.
Der Auslöser ist ein Interview mit der 28-jährigen Autorin, das am Freitag auf dem Blog des Magazins annabelle erschien.
Im besagten Interview spricht Passmann mit einer Journalistin über „alles“, wie sie selbst in einem Post am Samstag auf Twitter schreibt: „Politisches Instagram, überflüssige Repräsentation, Feuilletonboys, Eitelkeit“. Tatsächlich, das lange Interview streift einige Bereiche – und Passmanns Antworten enthalten, von der Journalistin, die das Interview führt, überwiegend unkommentiert, durchaus auch Kontroverses.
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Passmann hat heute Lust auf „Glamour Labour“
In der Einleitung beschreibt das Magazin zunächst Passmanns Karriere-Erfolge: Sie habe drei Bücher geschrieben, Podcasts und eine Sendung moderiert, außerdem ist sie neuerdings Schauspielerin. Dieser Auftakt setzt den roten Faden des Gesprächs, der im Grunde aus wiederkehrenden Fragen an Passman besteht, die in etwa in diese Richtung gehen: Wie empfindet sie ihren beruflichen Erfolg? Wie findet sie ihre Rolle in der Öffentlichkeit? Oder, wie schon der Titel des Interviews sagt: Wie kann diese Frau „Bücher schreiben und gleichzeitig ein süßes Foto posten“?
Passmann spricht über Selbstvermarktung weiblicher Körper auf Plattformen wie Instagram und vergleicht eine solche Aufmerksamkeitsstrategie mit der Werbung, die auch ein „Plattenleger“ betreiben müsse. Sie selbst habe „glamour labour“ zwar nicht nötig, aber Lust darauf, weshalb sie sich inzwischen gern auch in Zusammenhang etwa mit Mode auf Social Media inszeniere. Zitat Passmann: „Ich erlaube mir jetzt, den roten Teppich geil zu finden.“
White woman of the day:
— MALONDA (@fraumalonda) July 16, 2022
Sophie Passmann
Mit Begriffen von Schwarzen Aktivist*innen Geld und Fame einheimsen und dann gegen Schwarze Aktivist*innen wettern. Funky, aber hat trotzdem keinen Soul! pic.twitter.com/BhzrCT29GO
Von Twitter habe sie sich aus „psychohygienischen Gründen“ zurückgezogen. Bereits nach Erscheinen ihres ersten Buchs, „Alte weiße Männer“, wurde ihr aus feministischen Kreisen vorgeworfen, antifeministische Narrative zu bedienen. Sie habe sich davon „freigeschaufelt“. Inzwischen wisse sie, dass andere „Bücher schreibende Feministinnen“ wohl neidisch auf ihren Erfolg seien und hofften, dass, „wer sich als anti-passmann positioniert, eine Passmann-Karriere machen kann“.
Von den Leuten, von denen Passmann an dieser Stelle spricht, scheint sie tatsächlich einigermaßen konkrete Vorstellungen zu haben. Ihre „Kritiker:innen“, sagt sie, seien gleichzeitig Fans der Autor:in Hengameh Yaghobifarah – „lustigerweise“ hätten die beiden einst zusammen studiert und seien befreundet gewesen. Das findet Yaghoobifarah hingegen nicht so lustig. In einem Tweet der Autor:in wird diese Verbindung prompt dementiert.
Hab mit @julia_friese über ALLES gesprochen: politisches Instagram, überflüssige Repräsentation, Feuilletonboys, Eitelkeit. https://t.co/wDqoJ2vJNB
— Sophie Passmann (@SophiePassmann) July 16, 2022
Das ist aber bei weitem nicht die einzige Textstelle, die aus der feministischen Twitter-Blase kritisiert wird. Es geht etwa um Repräsentation im Internet. Sei die inzwischen häufig wichtiger als die Sache selbst, fragt die Journalistin? Dies, so Passmann, sei eine „Binsenwahrheit“.
Antirassististische Feministinnen kritisieren Passmann
Im Internet gehe es darum, „dass man dabei gesehen wird, wie man als Person eine Sache repräsentiert. Was nur dazu führt, dass die bestehenden Strukturen weiter zementiert statt dekonstruiert werden“. Und: „Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine Schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview-Mikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben.“ Es sind diese Sätze, für die antirassistische Feministinnen Passmann nun an den Pranger stellen.
Die Sängerin Achan Malonda schreibt etwa: „White woman of the day: Sophie Passmann. Mit Begriffen von Schwarzen Aktivist*innen Geld und Fame einheimsen und dann gegen Schwarze Aktivist*innen wettern. Funky, aber hat trotzdem keinen Soul!“
Sehr verkürzt erklärt: In der feministischen Debatte gibt es seit Jahrzehnten die Kritik, dass gerade die weiße, bürgerliche Frauenbewegung ausschließende Züge hat, und zum Beispiel die Kämpfe Schwarzer und Frauen of Colour nicht mitdenke.
Der lauteste Vorwurf, der sich nun in den sozialen Medien gegen Passmann richtet, heißt also letztlich: Selbstgefälligkeit. Passmann habe sich in den vergangenen Jahren an den Errungenschaften Schwarzer Feminismen bedient, und nun falle sie ihnen in den Rücken. „Damit ist sie selber in die Schublade der alten weißen Männer geglitten, die zynisch und gelangweilt definieren, was sie wichtig finden“, schreibt etwa die Politikwissenschaftlerin und Netzaktivistin Anne Roth.
"Ich habe mich deswegen vor zwei Jahren aus dem Politik-Scheiss komplett rausgezogen."
— Anne Roth (@annalist) July 18, 2022
Sag mir, dass du alle Privilegien der Welt hast, ohne dass du mir sagst, dass du sie hast.
Ich nehme an, dass Sophie Passmann hier nicht mitliest, aber das ist schon ziemlich over the edge.
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Selbst auf der Wohlfühl-Plattform Instagram kommentieren User einen Screenshot des Interviews, den Passmann selbst postete, in diesen Tönen. „Kommt so ein unreflektiertes selbstgefälliges Interview bei raus, wenn man sich selbst vielleicht bissel zu schlau findet? Scheint so. Sehr schade“, schreibt eine. Eine andere postet ein grün gefärbtes Würge-Emoji.
Unterdessen beziehen auf Twitter nicht nur Feminist:innen Position, sondern etwa auch der abgesägte Bild-Chef Julian Reichelt, der neuerdings mit einem Ken Jebsen-ähnlichen Youtube-Format aus den Untiefen des Internets von sich reden macht. Sophie Passmann, schreibt er, habe „zum ersten Mal in ihrem Leben etwas wirklich Kluges gesagt“. Dass Sophie Passmann selbst diese Art Support gutheißt, ist allerdings zu bezweifeln.
