Ukraine: Ex-Präsident Leonid Krawtschuk gestorben

Krawtschuk war der erste Präsident der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion. Mitten im Krieg erlag er nun einer schweren Krankheit.

Leonid Krawtschuk ist tot.
Leonid Krawtschuk ist tot.Imago/ITAR-TASS

Leonid Krawtschuk, erster Präsident der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion, ist am Dienstag nach langer Krankheit gestorben. Das melden mehrere ukrainische Medien übereinstimmend. Krawtschuk hatte das Präsidentenamt von 1991 bis 1994 inne.

Er war zusammen mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin und dem belarusischen Präsidenten Stanislau Schuschkewitsch federführend an der Auflösung der Sowjetunion beteiligt. Die drei Politiker hatten in der Belowescher Heide den Vertrag unterschrieben, der das Ende für das rote Imperium bedeutete. Schuschkewitsch war erst vergangene Woche in Belarus verstorben.

„Heute ist der erste Präsident der unabhängigen Ukraine verstorben“, schrieb der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko am Dienstag im Onlinedienst Telegram. „Ein großer Verlust für die gesamte Ukraine“, fügte er hinzu. Krawtschuk, der von 1991 bis 1994 an der Spitze des Landes stand, habe „den modernen ukrainischen Staat begründet“, so Klitschko. „Er blieb seinem Land bis zum letzten Moment treu und versuchte, mit seiner Erfahrung und seinem Wissen unser Leben zu verbessern. Und das ist ihm gelungen“, erklärte Klitschko. Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, würdigte den Ex-Staatschef als „weisen Patrioten“ und eine „wahrhaft historische Figur“.

Krawtschuk war der erste demokratisch-gewählte Präsident der Ukraine. Er führte die Ukraine nicht nur in die Unabhängigkeit. Im Jahr 1994 unterzeichnete er das Budapester Memorandum, durch das die Ukraine ihr Atomwaffenarsenal an Russland abgab. Im Gegenzug versicherten Russland, die USA und Großbritannien die territoriale Integrität und die Souveränität der Ukraine zu sichern.

Das Foto zeigt die drei Präsidenten, die das Ende der Sowjetunion am 8. Dezember 1991 besiegelten: Leonid Krawtschuk, Stanislau Schuschkewitsch und Boris Jelzin (von links).
Das Foto zeigt die drei Präsidenten, die das Ende der Sowjetunion am 8. Dezember 1991 besiegelten: Leonid Krawtschuk, Stanislau Schuschkewitsch und Boris Jelzin (von links).AFP/RIA NOVOSTI

Geboren worden war der Ukrainer im Jahre 1934 in einem kleinen Dorf in Wolhynien. Die Region gehörte damals, wie weite Teile der Westukraine, zu Polen. In den 1950er Jahren trat Krawtschuk der Kommunistischen Partei bei und stieg in der Nomenklatura der Ukrainischen Sowjetrepublik auf. Ab 1988 war er Parlamentspräsident. Dieses Amt bekleidete er bis zum 1. Dezember 1991, als er nach der ersten freien Präsidentenwahl zum Präsidenten der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik wurde. Als Präsident dieses Unionsstaates unterzeichnete er den Vertrag zur Auflösung der Sowjetunion nur eine Woche nach Amtsantritt. Seine Präsidentschaft war jedoch von vielen Konflikten geprägt, die das gerade erst in die Unabhängigkeit und die Marktwirtschaft entlassene Land erschütterten. Eine ausufernde Inflation verkrüppelte die Wirtschaft der Ukraine. Im Jahr 1994 unterlag er dem als russlandfreundlich geltenden Leonid Kutschma in der Präsidentschaftswahl. Leonid Krawtschuk blieb noch bis Ende der 2000er Jahre politisch in der Werchowna Rada, dem Parlament der Ukraine, aktiv.

Als 2014 Russland die Ukraine überfiel und die Krim annektierte und Teile des Donbas besetzte, sprach er sich zusammen mit den anderen früheren Präsidenten der Ukraine, mit Ausnahme des gestürzten Viktor Janukowytsch für einen Rückzug der Russen aus seinem Land aus. Ab 2020 repräsentierte er die Ukraine bei der Trilateralen Kontaktgruppe, die nach einer friedlichen Lösung für den Krieg in der Ukraine strebte.