Kiew: Russland bereitet neuen massiven Raketenangriff vor

Experten befürchten eine neue Großoffensive zum Jahrestag des russischen Einmarsches in der Ukraine.

Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in Kramatorsk kamen mindestens drei Menschen ums Leben. 
Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in Kramatorsk kamen mindestens drei Menschen ums Leben. Yasuyoshi Chiba/AFP

Russland bereitet nach Ansicht ukrainischer Militärs einen neuen schweren Raketenangriff auf die Ukraine vor. Die meisten Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte seien in ihre Stützpunkte zurückgekehrt, was auf die Vorbereitung eines neuen Schlags hindeute, sagte die Sprecherin der Kommandostelle Süd in den ukrainischen Streitkräften, Natalja Humenjuk, am Donnerstag im Fernsehen.

Russland überzieht seit Oktober ukrainische Städte und Infrastruktur mit schweren Raketenangriffen. Die meisten Marschflugkörper werden von Schiffen aus dem Schwarzen oder Kaspischen Meer und von strategischen Bombern abgefeuert.

Nach Angaben Humenjuks sind nur noch zehn Schiffe auf dem offenen Meer, die meisten davon U-Boote. Normalerweise seien es deutlich mehr. „Sie lassen für einige Zeit ihre Muskeln im Meer spielen, demonstrieren ihre Präsenz und Kontrolle über die Situation und fahren dann zu den Stützpunkten, wo sie sich normalerweise auf Manöver für einen massiven Raketenangriff vorbereiten“, begründete sie ihren Verdacht auf eine bevorstehende Attacke mit Erfahrungen früherer Angriffe.

Der russische Raketenbeschuss hat die Energieversorgung der Ukraine schwer in Mitleidenschaft gezogen. Millionen Ukrainer sind während der kalten und dunklen Wintertage über einen längeren Zeitraum von der Strom-, und teilweise auch von der Wärme- und Wasserversorgung abgeschnitten. Die Angriffe treffen auch immer wieder Wohnhäuser, wie zuletzt in der Millionenstadt Dnipro, als bei einem Einschlag 45 Menschen getötet und rund 80 verletzt wurden.

Kramatorsk: Tote bei russischem Raketenangriff

Im Kramatorsk im Osten der Ukraine kamen am Mittwoch Polizeieingaben zufolge mindestens drei Menschen bei einem russischen Raketenangriff ums Leben. Es sei ein Wohngebäude getroffen worden, teilte die ukrainische Polizei am Mittwochabend mit. Sie äußerte zugleich die Befürchtung, dass sich noch weitere Opfer unter den Trümmern des Hauses befinden.

„Friedliche Menschen wurden getötet und unter Trümmern begraben“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Das ist die tägliche Lebenswirklichkeit in unserem Land.“ Reporter der Nachrichtenagentur AFP sahen zwei aus den Trümmern geborgene Leichen. Rettungskräfte suchten in der Nacht in den Trümmern nach Überlebenden und möglichen weiteren Todesopfern.

Russland will tiefer in Ukraine eindringen

Kramatorsk befindet sich in der Region Donezk. Diese ist seit Monaten heftig umkämpft, ihre komplette Einnahme ist eines der wesentlichen Kriegsziele Russlands in der Ukraine. Die Regionen Donezk und Luhansk bilden zusammen die Region Donbass, die bereits seit 2014 teilweise von pro-russischen Separatisten besetzt ist. Der Donbass ist wegen seiner Rohstoffe und Industrie von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Viele Experten und auch die ukrainische Regierung vermuten, dass die aktuellen russischen Angriffe in der Ostukraine die Vorboten einer neuen militärischen Großoffensive sein könnten, die zeitlich nah am ersten Jahrestag des russischen Einmarschs am 24. Februar liegt.

Die russische Führung droht derweil wegen der Lieferung weitreichender westlicher Waffen an die Ukraine damit, tiefer in das Land vorzudringen. Ziel müsse es sein, die westlichen Waffen soweit wie möglich von russischem Staatsgebiet – darunter auch die annektierten Gebiete – fernzuhalten, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in einem Interview mit dem russischen Fernsehen.