Russland lagert Waffen in ukrainischem Atomkraftwerk

Das ukrainische Atomenergieunternehmen Energoatom warnt vor einer „Tragödie“, die der Katastrophe von Tschernobyl ähneln könnte.

Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja. Hier ist es Anfang März zu einem Brand gekommen. Erhöhte Strahlung ist bislang nicht gemessen worden.
Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja. Hier ist es Anfang März zu einem Brand gekommen. Erhöhte Strahlung ist bislang nicht gemessen worden.AP

Russische Kampftruppen sollen schwere militärische Ausrüstung in das besetzte Atomkraftwerk Saporischschja gebracht haben. So befänden sich schwere Munition und Geräte in den Anlagen des Kraftwerks, teilte das ukrainische staatliche Atomenergieunternehmen Energoatom auf Telegram mit. Die Informationen lassen sich wegen der anhaltenden Besetzung des Kraftwerks durch russische Truppen nicht unabhängig überprüfen.

Es handle sich dabei um 14 Einheiten schwerer Militärausrüstung mit Munition, Waffen und Sprengstoff, die im Maschinenraum des ersten Kraftwerkblocks deponiert sein sollen, so Energoatom. Zudem soll „das gesamte Arsenal“ in unmittelbarer Nähe der den Betrieb sicherstellenden Technik gelagert werden. Dort ist auch der Turbogenerator aktiv. Des Weiteren steht dort sowohl ein Hauptöltank nicht weit von der Anlage, der brennbares Öl zur Kühlung der Dampfturbine enthält, sowie ein Behälter mit explosivem Wasserstoff, der zur Kühlung des Generators benötigt wird.

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Energoatom warnt, dass die Ausrüstung zudem den Zugang für die Feuerlöschgeräte blockieren würde. Daher steige das Brandrisiko „um ein Vielfaches“. Im Falle eines Brandes, beispielsweise durch eine Detonation, könnte die „Tragödie ein ähnliches Ausmaß wie im Kraftwerk Tschernobyl“ annehmen. So ruft das Unternehmen die internationale Gemeinschaft auf, „alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um das ukrainische Kernkraftwerk vom Feind zu befreien“.

Das Unternehmen schreibt weiter: „Die Besetzer verstoßen weiterhin auf zynische Weise gegen alle Normen und Anforderungen in Bezug auf die Brand-, Nuklear- und Strahlungssicherheit des Kernkraftwerksbetriebs“, indem schwere militärische Geräte im größten Kernkraftwerk Europas deponiert würden.

Russland bezichtigt Ukraine eines Drohnenangriffs auf das Atomkraftwerk

Russland hatte der Ukraine kurz zuvor zwei Drohnenangriffe in der vergangenen Woche auf das Atomkraftwerk vorgeworfen. Die Geschosse seien nur wenige Dutzend Meter von einem Tank mit Kühlflüssigkeit des Reaktors gelandet.

„Es war reines Glück, dass nichts beschädigt wurde und es nicht zu einer menschengemachten Katastrophe kam“, sagte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums. Sie erklärte, dass Russland die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) kontaktiert habe. Auch diese Informationen lassen sich wegen der russischen Besetzung des Atomkraftwerks nicht unabhängig überprüfen.

Die Vorwürfe beider Seiten ließen sich nicht unabhängig bestätigen. Die Betreiberfirma Energoatom hatte in der vergangenen Woche bereits Russland bezichtigt, Raketenwerfer auf dem Gelände des Atomkraftwerks installiert zu haben. Laut Energoatom befinden sich 500 russische Soldaten vor Ort.

Brand in Atomkraftwerk hielt Welt in Atem

Anfang März war es im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine zu einem Brand in Atomkraftwerk Saporischschja gekommen. Damals war ein Feuer in einem Verwaltungsgebäude ausgebrochen. Ein Übergreifen der Flammen auf die Reaktoren konnte verhindert werden. Jedoch zeigte das Feuer, welche Gefahr von Kampfhandlungen rund um Kraftwerke ausgehen können.

Das AKW Saporischschja ist das größte Kernkraftwerk Europas und damit auch der größte einzelne Stromerzeuger in der Ukraine. Es hat sechs Blöcke mit einer thermischen Leistung von insgesamt 3200 Megawatt. Das ist mehr Leistung als von zwei der drei verbliebenen deutschen AKW.