Mit diesem Plan wollen russische Abgeordnete Putin stoppen

Im Sankt Petersburger Bezirk Smolninskoje beschließen sieben Politiker: Wir wollen, dass Putin wegen Hochverrats angeklagt wird und zurücktreten muss. Einer nennt jetzt Details.  

Russlands Präsident Wladimir Putin.
Russlands Präsident Wladimir Putin.Imago/Gavriil Grigorov

Sieben Bezirkspolitiker der Stadt Sankt Petersburg wollen einen Appell bei der russischen Staatsduma einreichen. So soll Russlands Präsident Wladimir Putin wegen Hochverrats angeklagt und des Amtes enthoben werden. Jetzt werden weitere Details des Appells bekannt.  

Der Plan wurde per knappen Beschluss am 7. September im Parlament des Bezirks Smolninskoje gefasst. (Nur zehn Abgeordnete waren anwesend. Es gab sieben Ja-Stimmen.) Weil es sich um eine Entscheidung einer Regierungsbehörde handelt, ist die Gegenwehr des Kremls verhältnismäßig gering. Zudem ist Smolninskoje der Heimatort von Wladimir Putin.

Appell an die Duma mit der Sprache Putins und seiner Anhänger

Nikita Juferew ist einer der Politiker und hat jetzt in einem Interview mit dem Stern erklärt, wie sie genau Wladimir Putin stoppen wollen. Juferew sagte zu dem Appell: „Wir haben uns bewusst dazu entschlossen, die Rhetorik von Putin selbst zu verwenden.“ Die Sprache der Kriegsgegner sei bekannt und verfange zu wenig.  „Sondern eben Putins Rhetorik, die an sein Auditorium gerichtet und die für sein Publikum somit auch verständlich ist. Damit diese Menschen vielleicht ins Nachdenken geraten.“

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Der Kommunalpolitiker aus Smolninskoje geht umfangreich ins Detail, nennt einige Bespiele: „Von Putin heißt es, dass die Nato Russland bedroht. Also sagen wir: Schaut doch! In Folge der Entscheidung des Präsidenten wird sich die Landgrenze zwischen den Nato-Staaten und Russland verdoppeln, nachdem nun Finnland dem Bündnis beitritt.“

Die gleiche Argumentation zu Putins Behauptung, die Ukraine entmilitarisieren zu wollen: Die Politiker erklären in ihrem Appell, dass die Ukraine seit Kriegsbeginn Waffen im Wert von 38 Milliarden Dollar bekommen habe. Die Ziele des Präsidenten hätten also den gegenteiligen Effekt. Darüber hinaus wird in dem Appell auf russische Kriegsopfer eingegangen, um harte Putin-Anhänger zu überzeugen.

Nikita Juferew: Nur noch 48 Prozent unterstützen den Krieg in der Ukraine

Auf die Frage, ob der Appell Erfolg haben werde, sagt Nikita Juferew dem Stern: „Wir verstehen, dass sie nicht auf einmal in Tränen ausbrechen und die Sonderoperation sofort beenden werden. Aber die Forderungen und Appelle haben einen Effekt auf die Menschen.“  

Der Politiker glaubt, dass der Appell in der Putin-treuen Staatsduma keine Mehrheit haben wird, doch das System fange jetzt endlich an zu bröckeln: „Mit solchen Aktionen zeigen wir diesen Menschen, dass sie nicht allein sind! Dass wir viele sind! Dass es eine ganze Regierungsbehörde in Sankt Petersburg gibt, die die Sonderoperation nicht gutheißt und in diesem Zusammenhang den Rücktritt Putins will!“

Laut Juferew unterstützen nur noch 48 Prozent der Menschen in Russland den Krieg.  Die russische Propaganda spreche von einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung, doch das stimme nicht.

Sie versuchen sich, an das russische Gesetz zu halten

Die Resonanz des Appels war groß, wie er am Sonntag twitterte: „Freunde! innerhalb wenigen Tagen habt Ihr Tausende Solidaritätsnachrichten geschrieben und Dutzende von Anrufen getätigt, in denen Ihr Eure Hilfe angeboten habt. Fremde haben angeboten, für Anwälte, Bußgelder und Tickets nach Mexiko für die ganze Familie und die Katzen zu zahlen. Ihr seid unglaublich! Ich danke Euch!!! Es gibt so viele von uns! Putin wird definitiv verschwinden!“

Die direkten Auswirkungen solcher Protestaktionen dürften äußerst gering sein, dennoch sind sie nicht ungefährlich. Seit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar geht Russlands Justiz besonders hart gegen Oppositionelle und Andersdenkende vor.

Doch die Angst vor Putin bleibe: „Wir sind tatsächlich sehr vorsichtige Menschen. Wir benutzen keine Terminologie, die die russische Gesetzgebung verbietet. Auch in diesem Gespräch benutze ich sie nicht. Weil mein Telefon abgehört wird, wie mir mein Anwalt gesagt hat. Wir benutzen bewusst das Wort Sonderoperation, wie das vorgeschrieben ist“, so Nikita Juferew. 

Die Politiker halten sich an das russische Gesetz: „Das Prozedere der Amtsenthebung ist in unserer Verfassung festgelegt. Auch die Erhebung der Anklage wegen Hochverrats ist im föderalen Gesetz festgelegt.“ Die Polizei ermittelt trotzdem gegen fünf Unterstützer von ihnen, hat sie im Visier. Sie gehen davon aus, dass sie bald wegen Diskreditierung russischer Streitkräfte vor Gericht gestellt werden.