Russische Kriegsgefangene: Wir wurden vom Kreml getäuscht

Reporter der Deutschen Welle konnten mit russischen Soldaten in der Ukraine sprechen. Sie schildern ihre Erfahrungen im Krieg – und ziehen eine bittere Bilanz.

Russische Soldaten patrouillieren in Mariupol.
Russische Soldaten patrouillieren in Mariupol.AP/AZ lvb

In der Ukraine werden gefangen genommene russische Soldaten in Gefängnissen festgehalten. Die Männer schilderten Journalisten der Deutschen Welle ihre Erlebnisse und ihre anfänglichen Erwartungen an den Krieg. „Ganz ehrlich: Wir wurden getäuscht“, erzählt einer der gefangen genommenen russischen Soldaten.

Ihm sei gesagt worden, es ginge um „humanitäre Dinge“, so der Soldat weiter. Ein anderer Gefangener betont hingegen, er habe sich freiwillig für die sogenannte Sonderoperation in der Ukraine gemeldet. Auf eine Anzeige im Internet hin sei er in das von prorussischen Separatisten kontrollierte Donezk gefahren und sei dann in Richtung Saporischschja geschickt worden. Dort sei er vom ukrainischen Asow-Regiment festgenommen worden.

Russische Soldaten schildern Täuschungen

Zu seinen Erfahrungen sagt er den Journalisten: „Im Fernsehen wird erzählt, dass wir angeblich für eine gute Sache kämpfen, aber in Wirklichkeit ist das überhaupt nicht der Fall. Erst hier sind mir die Augen aufgegangen.“

Ein weiterer russischer Soldat erzählt, er habe nicht gewusst, dass es am 24. Februar in die Ukraine gehen würde. „Man hat uns nicht gesagt, wohin wir fahren. Erst als wir schon auf ukrainischem Territorium waren und die Schilder und Fahnen sahen, wurde es uns klar.“ Als sein Panzer am 27. Februar beschossen wurde, habe er sich den Ukrainern ergeben.

„Ich habe den Nachrichten im Fernsehen geglaubt, wonach wir fahren würden, um zu helfen, dass es hier Nationalisten gebe, die die eigenen Leute töten und foltern würden“, erklärt ein weiterer junger Soldat. Doch als er in der Region Charkiw ankam, habe er keine Nationalisten gesehen. Ihm sei versprochen worden, nicht an vorderster Front eingesetzt zu werden, doch bereits nach drei Tagen sei er nach Charkiw geschickt worden.

Bisher wurde nur ein Prozess gegen einen russischen Soldaten wegen Kriegsverbrechen geführt. Der 21-Jährige wurde Ende März zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine einen 62-jährigen Zivilisten erschoss.