EU-Regierungschefs in Kiew: Ganz kurz wird der Kanzler ein bisschen emotional

Olaf Scholz reist mit drei  Amtskollegen in die Ukraine. Dort gibt es für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine klare Zusicherung Richtung EU.

Kiew: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, Mario Draghi, Ministerpräsident von Italien, und Klaus Iohannis, Präsident von Rumänien.
Kiew: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, Mario Draghi, Ministerpräsident von Italien, und Klaus Iohannis, Präsident von Rumänien.dpa/Kay Nietfeld

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine und Moldau zugesichert, dass beide Länder den Kandidatenstatus für den Eintritt in die Europäische Union erhalten sollen. Das sagte Scholz am Donnerstagabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seine Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Rumänien.

Scholz in Kiew: Bei Ankunft der Regierungschefs gab es erst mal Luftalarm

Die vier Regierungschefs waren am Morgen in Kiew eingetroffen und hatten erst mal einen Luftalarm erlebt. Am Nachmittag gab es einen weiteren. Dennoch besuchten Emmanuel Macron, Mario Draghi und Olaf Scholz den Kiewer Vorort Irpin. Dort hat das russische Militär vor seinem Abzug Ende März zahlreiche Zivilisten getötet. Alle vier Regierungschef sprachen sich später dafür aus, dass die Kriegsverbrechen untersucht und vor internationaler Gerichtsbarkeit angeklagt werden müssen.

Die größte Zusage betraf aber die Beitrittsperspektive der Ukraine in die EU, die alle vier Regierungschefs machten. Iohannis bezog sie auch auf Georgien. "Die Ukraine gehört in die europäische Familie", sagte Scholz, der für seine Verhältnisse sehr empathisch wirkte. So sprach er dem ukrainischen Präsidenten und dem ukrainischen Volk seinen Respekt und seine Hochachtung aus. Die Ukraine führe einen "heldenhaften Abwehrkampf".

Zusicherungen für weitere Waffenlieferungen gab es nicht. Scholz machte aber deutlich, dass Deutschland von seiner bisherigen Praxis abweicht und auch schwere Waffen liefert. Er verwies auf die zugesicherten Gepard-Panzer und Haubitzen, an denen in Deutschland bereits ukrainische Soldaten geschult würden. Seine Ausführungen beendete Scholz mit dem Ausruf "Slava Ukraini", zu deutsch: Ruhm der Ukraine. Der Gruß ist in der Ukraine geläufig, wird aber vor allem von Selenskyj bei seinen Reden benutzt.

Auch die anderen Regierungschef betonten ihre bedingungslose Unterstützung für die Ukraine. Macron, Draghi und Scholz waren am Morgen mit einem Sonderzug in Kiew angekommen, Iohannis nutzte einen anderen Reiseweg.

Kurz nach der Ankunft von Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew wurde in der ukrainischen Hauptstadt Luftalarm ausgelöst. Auch in zahlreichen weiteren Landesteilen gab es Luftalarm.

Reise nach Kiew: Die drei Regierungschefs besuchen am Vormittag den Vorort Irpin

Am Vormittag fuhren die drei Politiker begleitet von vielen Sicherheitskräften nach Irpin, einem der Vororte von Kiew, der besonders von russischen Raketen getroffen wurde. Der Ort liegt etwa 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Hier wurden nach dem Rückzug der russischen Truppen Ende März etwa 300  tote Zivilisten aufgefunden. Sie waren teilweise hingerichtet worden.

Scholz sprach von sinnloser Gewalt. Es seien unschuldige Zivilisten getroffen und Häuser zerstört worden. Es sei eine ganze Stadt zerstört worden, in der es überhaupt keine militärischen Strukturen gegeben habe. „Das sagt sehr viel aus über die Brutalität des russischen Angriffskriegs, der einfach auf Zerstörung und Eroberung aus ist", so Scholz. Die Zerstörungen in Irpin seien ein „ganz wichtiges Mahnmal“ dafür, dass etwas zu tun sei.

Selenskyj forderte von Europa die Lieferung weiterer schwerer Waffen und dass die EU schon in der kommenden Woche auf ihrem Gipfel in Brüssel einer Kandidatur der Ukraine für eine Mitgliedschaft zustimmt. Das ist mit der Zusicherung seiner Gäste nun sehr viel klarer geworden.  In der kommenden Woche wollen die EU-Mitglieder im Europäischen Rat darüber abstimmen. Der Beschluss muss einstimmig erfolgen.

Waffenlieferungen für die Ukraine: Deutschland rudert mal wieder zurück

Allerdings gibt es bei der Lieferung von Raketenwerfern durch die Bundeswehr bereits vor Beginn von Scholz' Reise eine weitere Einschränkung: Statt der zugesagten vier Systeme vom Typ Mars-II sollen nun nur drei geliefert werden. Mehr könne die Bundeswehr nicht entbehren, hieß es.

Seit Mitte März sind zahlreiche Staats- und Regierungschefs in die Ukraine gereist, die sich nun schon fast vier Monate gegen den Angriff der russischen Streitkräfte zur Wehr setzt. Dieser Besuch ist aber zweifellos der bedeutendste: Scholz, Macron und Draghi repräsentieren die drei bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten EU-Länder. Alle drei Staaten gehören zur G7, in der sich demokratische Wirtschaftsmächte zusammengeschlossen haben.